Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berechtigter. Erwerbsfähigkeit von Ausländern. Arbeitsgenehmigung-EU -nachrangiger Arbeitsmarktzugang
Leitsatz (amtlich)
1. Um die Fiktion des § 8 Abs 2 Alt 2 SGB 2 (die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte) auszulösen, reicht die abstrakt generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht aus.
2. Für Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16.4.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union der Europäischen Union beigetreten sind, die keine qualifizierte Berufsausbildung haben und in die Bundesrepublik Deutschland ohne Arbeitsgenehmigung/Arbeitsberechtigung-EU eingereist sind, müssten, damit eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden kann, die Voraussetzungen des § 39 Abs 2 AufenthG 2004 vorliegen, soweit nach Maßgabe des EUBeitrittsVtr keine abweichenden Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden.
Orientierungssatz
1. § 8 Abs 2 Alt 2 SGB 2 ist nicht dahin zu verstehen, dass die gesetzgeberisch eingeräumte, abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ausreicht, um die Fiktion des § 8 Abs 2 Alt 2 SGB 2 auszulösen (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 13.12.2005 - L 25 B 1281/05 AS ER). Die Frage, ob ein Arbeitsmarktzugang rechtlich gewährt werden könnte, richtet sich nach den arbeitsgenehmigungsrechtlichen Regelungen, so dass eine Einschätzung der Arbeitsmarktlage vorzunehmen ist.
2. Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 SGB 3 iVm mit § 39 AufenthG 2004 bei einer sich bereits im Inland aufhaltenden slowakischen Staatsangehörigen ohne qualifizierte Berufsausbildung für eine Tätigkeit als Bürohilfskraft.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdegegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 18.8.2006 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind weder im Antrags- noch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschwerdeführerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, der Beschwerdegegnerin und ihren beiden Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren.
Die 1985 geborene Beschwerdegegnerin ist slowakische Staatsangehörige. Sie ist ledig. Sie reiste eigenen Angaben zufolge im August 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie meldete sich erstmals bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde, der Stadt L., am 16.3.2005. Die Stadt L. erteilte ihr am 17.3.2005 eine Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU. Darin wurde ausgeführt, dass die Inhaberin der Bescheinigung zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung-EU benötige.
Nach Angaben der Beschwerdegegnerin war sie ab dem 1.3.2005 bei der Firma N. A., L., als Bürohilfskraft beschäftigt. Die Firma stellte eine Arbeitsbescheinigung vom 14.3.2005 aus.
2005 kam die Tochter der Beschwerdegegnerin und 2006 ihr Sohn zur Welt.
Erstmals stellte die Beschwerdegegnerin am 18.4.2005 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In der Folgezeit bezog sie für sich und ihre Tochter bis zum 30.9.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II. Auf ihren Antrag vom 13.9.2005 bewilligte die Beschwerdeführerin Leistungen bis zum 31.3.2006. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter vom 30.3.2006 lehnte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 31.3.2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 7 Abs 1 S 2 SGB II in der ab dem 1.4.2006 geltenden Fassung lasse eine entsprechende Bewilligung nicht mehr zu. Der Widerspruch der Beschwerdegegnerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11.5.2006 zurückgewiesen. Das Schreiben wurde der Beschwerdegegnerin formlos übersandt.
Ausweislich eines Aktenvermerks sprach die Beschwerdegegnerin am 28.7.2006 bei der Beschwerdeführerin vor. Sie legte Widerspruch ein und beantragte, ihr höhere Leistungen zu gewähren. Sie legte dar, sie habe vom 1.3.2005 bis zum 31.5.2005 in einem Arbeitsverhältnis bei dem Arbeitgeber N. (Altbausanierung) gestanden. Sie befinde sich im Mutterschaftsurlaub. Sie habe nach dem 31.5.2005 die Arbeit nicht wieder aufnehmen können, da sie erneut schwanger sei.
Am 31.7.2006 sprach die Beschwerdegegnerin abermals bei der Beschwerdeführerin vor. Sie legte dar, sie benötige Leistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts für sich und ihre Tochter. Sie habe kein Geld für eine Heimreise. Im Übrigen halte sie diese auch aufgrund ihrer Schwangerschaf...