Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfevergütungsanspruch. Vorrang der §§ 56, 33 RVG vor § 178 SGG. Rahmengebühr. Billigkeitskontrolle. Streitigkeit auf dem Gebiet des Sozialrechts. Mindestgebühr bei Unterdurchschnittlichkeit. Anerkenntnis. Nichterforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung. Entstehen einer Erledigungsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Sind alle Kriterien des § 14 Abs 1 RVG unterdurchschnittlich, ist nur eine Mindestgebühr angemessen. "/≫
Liegt ein volles Anerkenntnis vor, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich, so dass dem im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt weder Fahrkosten noch ein Abwesenheitsgeld (Nr 7003, 8005 RVG-VV) zusteht.
Orientierungssatz
1. § 56 Abs 2, § 33 Abs 3 RVG stellen Spezialvorschriften für die Rechtsbehelfe gegen Gebührenfestsetzungen im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dar und gehen § 178 SGG vor.
2. Verfahren mit sozialrechtlichem bzw sozialversicherungsrechtlichem Bezug sind wegen des erforderlichen besonderen Fachwissens nicht stets als besonders schwierig einzustufen (entgegen LSG Essen vom 5.5.2009 - L 1 AL 55/08).
3. Zum Entstehen einer Erledigungsgebühr.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 05.02.2009 wird abgeändert.
Die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 71,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seiner am 11.01.2008 beim Sozialgericht Koblenz (SG) erhobenen Klage wandte sich der Kläger des abgeschlossenen Verfahrens gegen einen Bescheid der ARGE Grundsicherung für Arbeitsuchende Kreis A (ARGE), mit dem sie dem Kläger und seinem mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt hatte. Als Kosten der Unterkunft und Heizung der angemieteten Wohnung hatte sie im Widerspruchsverfahren 341,15 EUR bewilligt (230,00 EUR Kaltmiete, 66,15 EUR nachgewiesene Nebenkosten und 45,00 EUR Heizkostenabschlag). Den von der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich zu zahlenden Heizkostenabschlag in Höhe von 60,00 EUR hatte sie nicht berücksichtigt, weil dieser für die nur 45 qm große Wohnung unangemessen hoch sei.
Bereits zum 01.08.2007 hatte der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen und war aus dem Leistungsbezug ausgeschieden.
In seinem Klageschriftsatz vom 10.01.2008 führte der Beschwerdegegner aus:
"Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die im Antrag bezeichneten Bescheide sind beigefügt. Da es sich um die Entscheidung einer Rechtsfrage handelt, ist eine weitere Begründung entbehrlich. Der Sachverhalt ergibt sich aus den Verwaltungsakten unmittelbar. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragten Unterkunftskosten in voller Höhe und nicht nur in Höhe von 75%".
Weiterer Vortrag erfolgte nicht.
Das SG bewilligte dem Kläger durch Beschluss vom 22.02.2008 Prozesskostenhilfe und ordnete ihm den Beschwerdegegner, der den Kläger auch im Widerspruchsverfahren vertreten hatte, bei.
Mit Schreiben vom 02.04.2008 erklärte sich die ARGE nach einem richterlichen Hinweis ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen bereit, dem Kläger für die Monate Juni und Juli 2007 den tatsächlichen Heizkostenabschlag zu bewilligen und ihm die Differenz von 30,00 EUR nachzuzahlen.
Der Beschwerdegegner erklärte hierzu mit Schreiben vom 09.04.2008, dass er das Anerkenntnis nicht annehme. Eine streitige Entscheidung sei notwendig, damit die ARGE die richtige Sach- und Rechtsklage kennen lerne.
In der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 nahm er das Anerkenntnis an. Der Rechtsstreit war für 10.00 Uhr terminierte und die Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls um 10.05 Uhr beendet.
Der Beschwerdegegner bezifferte seine Gebühren mit 866,32 EUR (Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - VV in Höhe von 250,00 EUR, Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV in Höhe von 200,00 EUR, Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1005 in Höhe von 190,00 EUR, Auslagenpauschale, Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld) und beantragte Festsetzung.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Gebühren auf 504,56 EUR fest und führte zur Kürzung aus, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Kriterien des § 14 RVG die jeweilige Gebühr 40% unterhalb der Mittelgebühr betrage.
Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegner legten gegen die Kostenfestsetzung Erinnerung ein.
Durch nicht begründeten und ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss vom 05.02.2009 wies das SG beide Erinnerungen zurück.
Am 04.03.2009 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 235,62 EUR festzusetzen: Die Beschwerde sei zulässig und begründet. Die Entscheidung des SG sei nicht überzeugend. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Ein besonderes anwaltliches Bemühen, den Rechtsstreit...