Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Rechtmäßigkeit der Versagung einer Satzungsgenehmigung durch die Aufsichtsbehörde. kein Zuschuss für eine zusätzliche Vorsorgeuntersuchung bei fleischloser Ernährung
Leitsatz (amtlich)
Krankenkassen sind nicht ermächtigt, Blutuntersuchungen einschließlich Beratung und Aufklärung für sich vegetarisch oder vegan ernährende Versicherte kraft Satzung zu bezuschussen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Genehmigung einer Satzungsregelung, die als Mehrleistung die Beteiligung der klagenden Krankenkasse an den Kosten für ärztliche Beratung, Aufklärung und Durchführung einer Blutuntersuchung für sich weitestgehend bis ausschließlich vegan oder vegetarisch ernährende Versicherte vorsieht.
Die Klägerin ist eine geöffnete Betriebskrankenkasse mit rund 38.000 Versicherten (Stand: Mai 2015). Im Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen positioniert sie sich nach ihren Angaben seit 2009 als Krankenkasse mit ökologischer und nachhaltiger Ausprägung. In Weiterentwicklung ihres Leistungsangebotes beschloss der Verwaltungsrat erstmals im Juni 2013 mit dem 13. Nachtrag zur Satzung eine Kostenbeteiligung an Blutuntersuchungen für sich vorwiegend vegetarisch oder vegan ernährende Versicherte im Hinblick auf speziell ernährungsbedingte Mangelerscheinungen. Eine Genehmigung dieser Regelung lehnte die beklagte Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt (BVA), mit Bescheid vom 12.08.2013 ab. Am 17.09.2014 beschloss der Verwaltungsrat der Klägerin mit dem 17. Nachtrag zur Satzung folgende Regelung:
Artikel I
§ 13 Medizinische Vorsorgeleistungen
Abs. II
Versicherte, die sich weitestgehend bis ausschließlich vegan oder vegetarisch ernähren, haben Anspruch auf ärztliche Beratung, Aufklärung und Durchführung einer Blutuntersuchung.
Die BKK beteiligt sich jährlich an den Kosten der vertragsärztlichen Beratung, Aufklärung, Blutentnahme und Dokumentation in Höhe von 75 EUR. Die Kostenerstattung erfolgt an den Versicherten gegen Nachweis einer Bestätigung des Vertragsarztes, der Vorlage einer Teilnahmeerklärung und einer entsprechenden Quittung in Original.
Artikel III
Inkrafttreten
Der Verwaltungsrat hat diesen Nachtrag zur Satzung in seiner Sitzung am 17.09.2014 beschlossen. Er tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
Nachdem die Beklagte im Genehmigungsverfahren weiterhin Bedenken an der Genehmigungsfähigkeit der Regelung geltend machte, legte die Klägerin ein von ihr veranlasstes Gutachten des Dr. K, Institut für alternative und nachhaltige Ernährung, über “Kritische Nährstoffe bei Vegetariern und Veganern„ vom 13.10.2014 vor. Mit Bescheid vom 02.03.2015 lehnte der Beklagte eine Genehmigung der Satzungsregelung erneut ab. Eine Ermächtigung zur Regelung von Mehrleistungen bestehe nur im Rahmen von § 11 Abs. 6 SGB V, wenn die grundsätzlichen Anforderungen des genannten Bereichs erfüllt seien und die Leistung nicht bereits im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten sei. Die von der Klägerin vorgesehene Regelung sei nicht dem hier in Betracht kommenden Bereich der medizinischen Vorsorge nach § 23 SGB V zuzuordnen. Eine Blutuntersuchung erfülle keine der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 SGB V. Systematisch sei die vorgesehene Blutuntersuchung den Gesundheitsuntersuchungen nach §§ 25 bis 26 SGB V zuzuordnen, die nicht von § 11 Abs. 6 SGB V erfasst würden. Ungeachtet dieser grundlegenden Einwände bestünden auch Bedenken hinsichtlich der Definition des anspruchsberechtigten Personenkreises, weil eine Nachweisführung über die Erfüllung der Voraussetzungen einer weitestgehend fleischfreien Ernährung - außer auf Eigenaussagen der Versicherten - kaum zu erreichen sei.
Am 01.04.2015 hat die Klägerin Klage beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, sie habe nach § 195 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Genehmigung des 17. Satzungsnachtrags. Die vorgesehene Blutuntersuchung sei notwendig, um Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden, und beinhalte damit eine Leistung der Vorsorge gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Die Satzungsleistung sei nicht zwingend als Gesundheitsuntersuchung nach den §§ 25 f. SGB V auszulegen. In Abgrenzung zu § 25 SGB V sei die Blutuntersuchung weder altersabhängig noch auf die Diagnostik eines klar definierten allgemeinen Krankheitsbildes bezogen. Die beabsichtigte Blutuntersuchung samt Beratung für Vegetarier/Veganer habe nicht das Ziel, eine möglichst breitbandige Untersuchung durchzuführen, um verschiedenste, häufig auftretende Krankheiten im Frühstadium zu ermitteln. Vielmehr sollten sich in bestimmter Weise ernährende Versicherte präventiv daraufhin untersucht werden, ob die besondere Ernährung zu Mangelversorgungen geführt habe, denen zur Vermeidung von Krankheiten gegengesteuert werden müsse, was durch die ärztliche Beratung unterstützt werde. Selbst b...