Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. sonstiger Schaden wegen Arzneimittelverordnung
Leitsatz (amtlich)
Für die Feststellung eines sonstigen Schadens im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ist Verschulden des geprüften Arztes erforderlich. Ohne konkrete Anhaltspunkte ist der Arzt nicht verpflichtet, bei einer Arzneimittelverordnung den Patienten zu fragen, ob er sich gegenwärtig in stationärer Behandlung befinde.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz vgl BSG vom 30.1.2002 - B 6 KA 9/01 R.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.7.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Beklagte zu Recht die Feststellung eines sonstigen Schadens der Klägerin in Höhe von 324,66 € wegen vertragsärztlicher Arzneimittelverordnungen während einer stationären Behandlung abgelehnt hat.
Die 1925 geborene, bei der Klägerin versicherte A B (im Folgenden Versicherte) befand sich in der Zeit vom 20.3.2002 bis zum 9.4.2002 in stationärer Behandlung. Am 2.4.2002 verordnete der Beigeladene zu 1, der im Bezirk der Beigeladenen zu 2 als Vertragsarzt zugelassen war, der Versicherten zwei Arzneimittel (Blutdrucksenker).
Der Behandlungsschein weist für den 2.4.2002 einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus. Die Verordnungen über die Arzneimittel wurden am selben Tag eingelöst. Der Klägerin entstanden dadurch Kosten in Höhe von insgesamt 324,66 € (Bruttobetrag abzüglich Apothekenrabatt und Eigenanteil). Sie beantragte im Dezember 2003 bei der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen die Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) iVm § 13 der Prüfvereinbarung, weil der Beigeladene zu 1 die Arzneimittelverordnungen für eine Patientin ausgestellt habe, die sich zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung befunden habe. Der Beigeladene zu 1 erklärte hierzu im Januar 2004, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er während eines stationären Aufenthaltes keine Arzneimittel habe verordnen dürfen. Der Prüfungsausschuss lehnte den Antrag der Beigeladenen zu 1 durch Bescheid vom 27.3.2006 wegen verspäteter Antragstellung als unzulässig ab. Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Bescheid vom 28.11.2007 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.12.2007 Klage erhoben. Nach Bekanntwerden des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.6.2011 (B 6 KA 16/10 R) wies der Beklagte den Widerspruch durch einen neu gefassten und den Bescheid vom 28.11.2007 ersetzenden Bescheid vom 3.5.2012 erneut zurück. Zur Begründung führte er aus: Zwar handele es sich ausgehend von dem Urteil des BSG vom 29.6.2011 (aaO) bei der in der Prüfvereinbarung geregelten Frist für einen Antrag auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung lediglich um eine Ordnungsfrist, sodass der Antrag der Klägerin nicht als verspätet abgelehnt werden könne. Der Widerspruch der Klägerin sei jedoch in der Sache nicht begründet. Es könne dahinstehen, ob dieser überhaupt ein Schaden entstanden sei. Ein Verschulden des Beigeladenen zu 1 sei jedenfalls nicht ersichtlich. Zu beachten sei, dass nach dem vorliegenden Behandlungsschein am 2.4.2002 ein Arzt-Patient-Kontakt stattgefunden habe. Zudem habe der Beigeladene zu 1 glaubhaft gemacht, dass er keine Kenntnis von dem stationären Aufenthalt der Versicherten gehabt habe, indem er telefonisch angegeben habe, die Krankenhauseinweisung sei nicht durch ihn erfolgt und er habe im Zeitpunkt der Ausstellung der Verordnungen keine Kenntnis von dem Krankenhausaufenthalt der Versicherten gehabt.
Die Klägerin hat dazu vorgetragen: Der Beigeladene zu 1 habe seine ärztliche Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die Arzneimittelverordnungen ausgestellt habe. Er habe seinerzeit weder geklärt, wo sich die Patientin befunden habe, noch die Notwendigkeit der Verordnungen überprüft. Vor Ausstellung einer Verordnung habe der Arzt stets die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse zu klären (Hinweis auf Sozialgericht - SG - Stuttgart 14.3.2012 - S 20 KA 5198/10). Unterlasse er dies, handele er fahrlässig. Aus den Angaben des Beigeladenen zu 1 lasse sich entnehmen, dass er die Verordnung ohne nähere Prüfung ausgestellt habe; er habe weder den Aufenthaltsort des Patienten geklärt noch die Notwendigkeit der Verordnungen geprüft. Die Aussage des Beklagten, am 2.4.2002 habe ein unmittelbarer Arzt-Patient-Kontakt stattgefunden, lasse sich nicht verifizieren. Bei der auf dem Behandlungsschein vermerkten EBM(Ä)-Nr. 1 (Stand 2002) habe es sich um die hausärztliche Grundpauschale gehandelt. Die Versicherte habe sich seinerzeit im S -Krankenhaus B und damit 13 km von der Praxis des Beigeladenen zu 1 entfernt befunden; es sei daher fraglich, ob sie damals selbst dessen Praxis auf...