Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Begrenzung des Streitgegenstands. Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Aufteilung nach Kopfzahl. Anforderung an Angemessenheitsprüfung und selbst erstellten Mietspiegel des Grundsicherungsträgers. kein Rückgriff auf Wohngeldtabelle. Kabelanschlussgebühr
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich kann der Streitgegenstand auf die abtrennbare Verfügung über Unterkunfts- und Heizkosten begrenzt werden (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 = FEVS 58, 259). Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes (hier: Beschränkung auf Kaltmiete, Nebenkosten oder Kosten des Kabelanschlusses) ist dagegen rechtlich nicht zulässig.
2. Wird die Unterkunft durch mehrere Personen genutzt , so hat die Aufteilung der Unterkunftskosten grundsätzlich nach Kopfzahl zu erfolgen (vgl BSG vom 19.3.2008 - B 11b AS 13/06 R = FamRZ 2008, 1527).
3. Zur Prüfung und zum Maßstab der Angemessenheit der Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 = FEVS 58, 271).
4. Ist kein Mietspiegel bzw keine Mietdatenbank vorhanden, auf die für die Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises zurückgegriffen werden könnte, muss dieser auf andere Art und Weise ermittelt werden. Dies kann grundsätzlich durch eine Beobachtung des Wohnungsmarktes (und die Erstellung eigener grundsicherungsrelevanter Wohnungskostentabellen) erfolgen.
5. Diese vom Wohnungskostentabellen müssen umfassend und nach Wohnungsgröße differenziert sein. Fließen Bestandsmieten ein, ist zudem erforderlich, den Anmietungszeitpunkt festzuhalten (vgl LSG Darmstadt vom 12.3.2007 - L 9 AS 260/06). Es ist grundsätzlich unbedenklich, wenn hierbei auch bestehende Mietverhältnisse von Leistungsempfängern in diesen Mietspiegeln berücksichtigt werden, solange es sich dabei nicht um atypische Mietverträge oder veraltete Bestandsmieten handelt.
6. Ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 8 WoGG 2 kommt nur in Betracht, wenn Erkenntnismöglichkeiten im lokalen Bereich nicht weiter führen (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R aaO). Dies ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn aufgrund des Zeitablaufs eine (nachträgliche) Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises nicht (mehr) möglich ist, sondern nur dann, wenn die örtlichen Gegebenheiten von vornherein eine Beurteilung nicht zulassen.
7. Kabelgebühren gehören zu den Kosten der Unterkunft und sind vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, wenn die damit verbundene Gebührenbelastung nicht vermieden werden kann (hier: einheitlicher Kabelanschlussvertrag für ganze Wohnanlage) (vgl BVerwG vom 28.11.2001 - 5 C 9/01 = BVerwGE 115, 256 = NJW 2002, 1284).
Nachgehend
Tenor
1. |
|
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.07.2006 wird zurückgewiesen. |
2. |
|
Die Beklagte hat den Klägern die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. |
3. |
|
Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger für die Zeiträume vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2005 sowie vom 01.12.2005 bis zum 31.01.2006 Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung höherer Kosten für Unterkunft haben.
Die 1963 geborene Klägerin zu 1) ist seit 1984 mit dem ... 1938 geborenen H R verheiratet. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen, die ... 1985 geborene M R, der ... 1987 geborene J R, der Kläger zu 2), die ... 1990 geborene J R, die Klägerin zu 3), die ... 1995 geborene M R, die Klägerin zu 4), sowie der ... 2002 geborene J J R, der Kläger zu 5). Die Kläger bewohnen seit 1999 ein von ihnen angemietetes Einfamilienhaus mit Garten mit einer Wohnfläche von laut Mietbescheinigung vom 19.04.2005 rund 138 m². Hierin ist ein Heizungsraum mit einer Fläche von 6,5 m² enthalten. Im Mietvertrag vom 07.06.1999 war eine Staffelmietvereinbarung getroffen. Die Kaltmiete in Höhe von 1.390,00 DM erhöhte sich jeweils zum 01.07. eines Jahres um 30,00 DM, zuletzt am 01.07.2004 auf dann insgesamt 1.540,00 DM monatlich. Seit dem 01.07.2004 beläuft sich die Kaltmiete auf 812,96 € monatlich zuzüglich 14,13 € monatlich für Kabelfernsehen, 25,00 € für die Anmietung der Garage sowie 17,11 € monatlich für sonstige Nebenkosten (Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Heizungswartung, Schornsteinfegerkosten). Die Gebühren für die Abfallentsorgung zahlten die Kläger unmittelbar an den Entsorgungs- und Servicebetrieb Z (EBZ). Für das Jahr 2005 belief sich die Jahresgebühr auf 460,80 €, die in vier Abschlägen zu je 115,20 € jeweils am 04.03.2005, 01.06.2005, 01.09.2005 und 01.12.2005 zu zahlen war. Im Jahr 2006 blieben die Abfallgebühren unverändert. Über Strom, Erdgas, Wasser und Abwasser bestand ein Versorgungsvertrag unmittelbar zwischen den Klägern und der Stadtwerke Z GmbH. Im Jahr 2005 waren hierfür zehn Abschläge in Höhe ...