Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienversicherung für Pflegekind. Beitrittsfrist für freiwillige Versicherung. Beitrittsanzeige
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Pflegekindverhältnis setzt nicht das Bestehen einer Pflegschaft nach § 1909 BGB voraus.
2. Eine vor Beginn der Beitrittsfrist nach § 9 Abs 2 Nr 1 SGB 5 erstattete Beitrittsanzeige ist jedenfalls dann fristgerecht, wenn im Zeitpunkt der Beitrittsanzeige der Bestand einer Versicherung unklar war.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5.5.2009 und die Bescheide der Beklagten vom 18.1.2007 und 12.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2007 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger seit 8.9.2006 bis laufend bei der Beklagten krankenversichert ist.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger über den 7.9.2006 hinaus bei der Beklagten krankenversichert war.
Der am ... 1989 geborene Kläger, dessen Eltern vermutlich tot sind, war im Dezember 2004 allein und ohne Dokumente aus der Demokratischen Republik Kongo nach Deutschland eingereist. Er lebte in der Familie seines hier lebenden Onkels F N M , der im Februar 2005 zum Vormund des Klägers bestellt wurde, und war über diesen bei der Beklagten als Pflegekind familienversichert. Seit 8.9.2006 befand sich der Onkel des Klägers in Haft und war nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert. Die Agentur für Arbeit meldete am 3.11.2006 gegenüber der Beklagten den Onkel mit Wirkung vom 7.9.2006 ab. Mit Wirkung vom 8.9.2006 meldete sie dessen Ehefrau, die Beigeladene, in deren Familie der Kläger weiter lebte, als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II an. Die Beigeladene ist seither bis laufend Mitglied der Beklagten. Nachdem die Beigeladene in einem Feststellungsbogen der Beklagten zur Familienversicherung neben ihren drei leiblichen Kindern auch den Kläger als Kind angegeben hatte, teilte die Beklagte ihr mit Schreiben vom 27.12.2006 mit, eine Familienversicherung des Klägers sei nur möglich, wenn die Beigeladene eine Pflegschaftsurkunde vorlege, aus der hervorgehe, dass sie die Pflegschaft über den Kläger übernommen habe. Am 15.1.2006 wurde der Onkel des Klägers als Vormund entlassen und die Berufsbetreuerin B M zum Vormund des Klägers bestellt. Den Antrag der Stadtverwaltung K , von der der Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezog, vom 18.1.2007, für den Kläger eine freiwillige Krankenversicherung zu begründen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.1.2007 ab, weil die Beitrittsfrist bereits am 6.12.2006 abgelaufen sei. Hiergegen legte der Vormund des Klägers am 29.1.2007 Widerspruch ein und bat um weitere Informationen über Abhilfemöglichkeiten. Am 31.1.2007 legte die Stadtverwaltung K der Beklagten eine vom Kläger unterzeichnete Erklärung vor, wonach dieser seinen Beitritt zur Beklagten erklärte und der Stadtverwaltung in dieser Angelegenheit Vollmacht erteilte. Gleichzeitig legte sie Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.1.2007 ein. Am 8.2.2007 zeigte der von dem Vormund des Klägers beauftragte Prozessbevollmächtigte nochmals gegenüber der Beklagten den Beitritt des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung an. Mit Schreiben vom 12.2.2007 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Versäumung der Beitrittsfrist erneut eine freiwillige Versicherung des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.4.2007 zurück. Am 31.7.2008 zog der Kläger aus der Wohnung seiner Tante in eine eigene Wohnung. Er war bis laufend nicht erwerbstätig, bezog kein Einkommen und war nicht anderweitig krankenversichert.
Die am 8.5.2007 erhobene, auf Feststellung einer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten ab 8.9.2006 gerichtete Klage hat das Sozialgericht Koblenz mit Urteil vom 5.5.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vom 8.9. bis 7.12.2006 laufende Drei-Monats-Frist für den Beitritt zur freiwilligen Versicherung versäumt; die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen ihm Wiedereinsetzung zu gewähren, da die Frist von dem Onkel und damaligen Vormund des Klägers schuldhaft versäumt worden sei.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 13.5.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.6.2009 Berufung eingelegt. Er trägt vor, weder er noch sein damaliger Vormund hätten die Beitrittsfrist schuldhaft versäumt. Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, sein Onkel hätte wissen müsse, dass seine Krankenversicherung bei der Beklagten und damit auch seine (des Klägers) Familienversicherung durch die Inhaftierung geendet habe. Erst aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.12.2006 an seine Tante sei deutlich geworden, dass die Beklagte die Familienversicherung nicht fortsetze. Zudem habe er nach der Inhaftierung seines Onkels wei...