Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Kausalität. überschießende Impfreaktion. Üblichkeit von Fieberkrämpfen bei Kleinkindern. Rolle von aluminiumhaltigen Zusatzstoffen. mögliche Gefährdung von Säuglingen und Kleinkindern. herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung. reine Spekulationen nicht ausreichend. Kannversorgung. etwaige Zahlungen von Impfstoffherstellern für Vorträge des Gutachters. Ausforschungsbeweis. Ruhen des Verfahrens wegen anhängigem Revisionsverfahren mit ähnlichen Impfstoffen. sozialgerichtliches Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Es kommt sehr oft vor, dass einjährige Kinder einmal fiebrig sind, auch vor und länger nach dem im ersten Lebensjahr üblicherweise durchgeführten Impfungen. Eine zeitnahe unübliche Impfreaktionen ist durch einen Fieberkrampf noch nicht nachgewiesen.

2. Reine Spekulationen darüber, dass entgegen der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung eine Gefährdung von Säuglingen und Kleinkindern durch aluminiumhaltige Zusatzstoffe bestehen könnte, genügen weder zum Nachweis eines Impfschadens noch für eine sogenannte Kannversorgung.

3. Für die in diesem Zusammenhang zu entscheidenden Rechts- und Tatsachenfragen ist nicht zwangsläufig von Bedeutung, ob und ggf welche Zahlungen der Gutachter von Impfstoffherstellern für seine Vorträge zum Thema „Impfen“ erhalten hat.

4. Gründe für ein Ruhen des Verfahrens wegen eines anhängigen Revisionsverfahrens zu ähnlichen oder gleichen Impfstoffen liegen dann nicht vor, wenn im vorliegenden Verfahren bereits keine überschießende Impfreaktion nachgewiesen ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.11.2016; Aktenzeichen B 9 V 45/16 B)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 25.08.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Die im Jahre 1999 geborene Klägerin wurde am 05.08.1999, 20.09.1999, 05.11.1999, 22.05.2000 und 04.07.2000 durch die Kinderärztin Dr. M geimpft, wobei die Impfung am 04.07.2000 gegen Masern/Mumps/Röteln mit dem Impfstoff Priorix erfolgte.

Im Juli 2007 beantragte die Klägerin über ihre Eltern die Gewährung von Versorgung nach dem IfSG. Zur Begründung wurde angegeben, drei bis vier Wochen nach der Impfung sei bei der Klägerin beobachtet worden, dass sie schreie, nicht mehr ansprechbar sei, sich nach hinten biege, den Kopf überstrecke und nicht mehr gesprochen habe. Auf die Impfung vom 04.07.2000 seien motorische Entwicklungsretardierungen sowie schwere Sprach- und Entwicklungsstörungen zurückzuführen. Zur Begründung wurden verschiedene Befundunterlagen beigefügt, u.a. der Impfkalender, ein Karteikartenauszug der Frau Dr. M sowie zahlreiche weitere Befundunterlagen. Untersuchungen in der Universitätskinderklinik H , einschließlich einem dort durchgeführten CT, hatten keinen Befund ergeben. Abschließend war in den Untersuchungsberichten ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine ungeklärte psychomotorische Retardierung, wobei die Klägerin als körperlich etwa altersentsprechend entwickeltes, graziles Kleinkind mit eher zart ausgebildeter Muskulatur bezeichnet worden war. Ein Rett -Syndrom als Ursache der Entwicklungsstörung konnte weitgehend ausgeschlossen werden. Eine von Dr. F-F durchgeführte zytogenetische Begutachtung hatte einen unauffälligen Befund ergeben.

Das Amt für soziale Angelegenheiten Mainz holte einen Befundbericht der Frau Dr. M ein. Die Ärztin teilte mit, die motorische Entwicklung der Klägerin sei auch vor der Impfung im beobachtungsbedürftigen Grenzbereich verlaufen. Die Sprachentwicklung habe etwa zeitgemäß begonnen, die Fortschritte seien aber sehr langsam gewesen.

Die Versorgungsärztin Dr. H-L wertete die Unterlagen aus und kam zu dem Ergebnis, bei der Klägerin hätten bereits vor der Impfung vom Juli 2000 Verzögerungen in der regelrechten psychomotorischen Entwicklung bestanden. Aus den Unterlagen lasse sich zwischen der Untersuchung im siebten und 12. Lebensmonat eine Zunahme dieser Entwicklungsverzögerung ablesen, besonders im motorischen Bereich. Unter Würdigung aller Angaben habe auch für die sprachliche Entwicklung bereits zum 13. Lebensmonat eine Verzögerung bzw. ein Sistieren der Weiterentwicklung bestanden. Sowohl aufgrund des vorliegenden MRT-Befundes als auch aufgrund der Praxisdokumentation sei bei der Klägerin eine akute entzündliche Erkrankung des ZNS infolge der Impfung auszuschließen. Auch die im Antrag von der Mutter angegebene Zeitspanne zwischen Impfung und erster Krankheitssymptomatik spreche gegen eine Impfschädigung. Aufgrund der bereits vor der Impfung dokumentierten Beeinträchtigungen der Entwicklung sei die geltend gemachte Gesundheitsstörung als Vorschaden anzusehen. Eine Beeinflussung durch die Impfung im Juli 2000 sei versorgungsärztlich nicht zu bestätigen.

Darauf gestützt lehn...

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