Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. GmbH-Gesellschafter. Mehrheitsgesellschafter. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Gesellschaftsanteil von weniger als 50 %. Weisungsfreiheit. Stimmrechtsbindungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesellschafter einer GmbH steht gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser, wenn er als Geschäftsführer tätig wird, so dass er grundsätzlich sozialversicherungspflichtig tätig sein kann. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschafter aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter Einzelanweisungen an sich bei Bedarf jederzeit verhindern kann.

2. Bei einem Gesellschaftsanteil von weniger als 50 % ist dies der Fall, wenn der Geschäftsführergesellschafter nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH bzw der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist.

3. Kann der Minderheitsgesellschafter aufgrund einer wirksamen Stimmrechtsbindungsvereinbarung Gesellschafterentscheidungen gegen seinen Willen verhindern, spricht dies für eine selbständige Tätigkeit des Geschäftsführers.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000 Euro festsetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.

Der Kläger war bis 31.12.2009 bei der Beigeladenen zu 1) als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Vertrag vom 30.12.2009 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt. Der Vertrag enthält in § 3 Abs. 1 die Bestimmung, wonach der Kläger ein festes Monatsgehalt von 11.000,00 EUR bezieht. Mit Gesellschaftervertrag vom 19.05.2010 erwarb der Kläger vom Stammkapital der Gesellschaft (52.000,00 EUR) einen Anteil in Höhe von 13.100,00 EUR (25,2 % des Stammkapitals) und zahlte hierfür einen Kaufpreis von 430.000,00 EUR.

Im Mai 2010 beantragte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und teilte im Anhörungsverfahren mit, auch wenn er mit 25,2 % nur eine Minderheitsbeteiligung innehabe, könne er jedoch Beschlüsse, die eine ¾-Mehrheit erforderten, in jedem Fall verhindern. Aus dem Umstand, dass er nicht über die absolute Stimmenmehrheit verfüge, könne nicht geschlossen werden, dass er keinen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Auch wenn die Gesellschaft über drei Geschäftsführer verfüge, bestehe keine Einschränkung hinsichtlich der Vertretungsbefugnis; es gebe keine zustimmungspflichtigen Geschäfte, die seine Geschäftsführungsbefugnis einschränken würden. Zudem habe er mit dem Erwerb des Unternehmensanteils in Höhe von 430.000,00 EUR ein erhebliches unternehmerisches Risiko übernommen.

Mit Bescheid vom 10.02.2011 entschied die Beklagte, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, da sie im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt würde. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer spreche, dass er wegen seines Anteils von 25,2 % am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Dieser enthalte typische arbeitsvertragliche Regelungen zum Urlaubsanspruch und über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit. Dem Kläger werde eine monatliche Vergütung in Höhe von 11.000,00 EUR und damit ein übliches Arbeitsentgelt gezahlt. Der Kläger sei nicht der alleinige Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Für eine selbstständige Tätigkeit spreche hingegen, dass der Kläger alleinvertretungsberechtigt sei, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei und keinen Weisungen bezüglich Arbeitszeit, -ort und Ausführung der Tätigkeit unterliege. Der Kläger könne aufgrund von mangelnden Vetorechten bzw. Sperrminoritäten keine Entscheidungen verhindern. Dass er Stammkapitalanteile für einen Betrag von 430.000,00 EUR erworben habe, sei kein Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger kein, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Er sei aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Dividenden indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, müsse eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage aber nicht ...

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