Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Wohnort in den Niederlanden. vor Aufenthaltsnahme in den Niederlanden lediglich beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen eines Schulbesuchs und keine Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Beginn der Berufstätigkeit erst nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland
Orientierungssatz
Die für die rentenrechtliche Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat der EU zurückgelegten Kindererziehungszeiten erforderliche hinreichend enge Verbindung zum deutschen Inland ist nicht gegeben, wenn eine Berufstätigkeit erst nach der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland beginnt und vor Aufenthaltsnahme im EU-Ausland lediglich beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen eines Schulbesuchs in Deutschland zurückgelegt wurden.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.07.2021 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Zeit der Kindererziehung im Zeitraum vom 11.11.1975 bis zum 30.04.1977, in dem sich die Klägerin in den Niederlanden aufgehalten hatte, von der Beklagten als Kindererziehungszeit im Sinne des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) rentensteigernd zu berücksichtigen ist.
Die 1952 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und befand sich bis zum 16.05.1973 in schulischer Ausbildung. Nach ihren eigenen Angaben ging sie anschließend einer zeitlich begrenzten Studientätigkeit in Amsterdam, Niederlande, nach und hatte dort bis 30.04.1977 ihren Wohnsitz. Berufstätig war die Klägerin in den Niederlanden nicht. Am 01.05.1977 kehre sie in das Bundesgebiet zurück und nahm am 01.09.1977 eine Fachschulausbildung auf. In der Folgezeit war sie versicherungspflichtig beschäftigt, mit Unterbrechungen von Zeiten der Arbeitslosigkeit und zeitweiliger Selbstständigkeit. Am XX.XX.1975 wurde in Amsterdam ihre Tochter S geboren. Die Klägerin war (und ist) mit dem Kindsvater nicht verheiratet; die amtliche Geburtsbescheinigung des „Burgerlijke Stand Amsterdam“ sieht zum Namen des Kindsvaters keine Angaben vor.
Mit Bescheiden vom 05.07.1989 und 03.01.2006 stellte die Beklagte die in den jeweils übersandten Versicherungsverläufen enthaltenen Daten für Zeiten bis zum 31.12.1992 bzw. 31.12.1999 als für die Beteiligten verbindlich fest. Aufgeführt wurde unter anderem eine beitragsfreie Anrechnungszeit wegen Schulausbildung vom 29.01.1969 bis 16.05.1973. Im Bescheid vom 03.01.2006 ist weiter Folgendes mitgeteilt:
„Wir haben geprüft, ob Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten anzuerkennen sind. Für S Sch geboren am XX.XX.1975: Die Zeit vom 01.05.1977 bis 10.11.1985 wird als Berücksichtigungszeit anerkannt. Die Zeit vom 01.12.1975 bis 30.11.1976 kann nicht als Kindererziehungszeit anerkannt werden, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen wurde. Die Zeit vom 11.11.1975 bis 30.04.1977 kann nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen wurde.“
Auf entsprechenden Antrag der Klägerin bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2014 Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.02.2015 als Teilrente in Höhe von einem Drittel der Vollrente beginnend am 01.02.2015. In der Folgezeit war die Klägerin weiterhin beschäftigt. Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte durch Bescheid vom 19.10.2017 die Bewilligung der Altersrente für langjährig Versicherte mit Wirkung ab 01.02.2015 zurück, da in der Zeit vom 01.02.2015 bis 30.06.2017 die Hinzuverdienstgrenze überschritten worden sei. Gleichzeitig wurde die Erstattung einer Überzahlung geltend gemacht.
Am 11.05.2017 beantragte die Klägerin die Zahlung der bisherigen Altersrente als Vollrente. Mit Bescheid vom 10.11.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Altersrente als Vollrente für langjährig Versicherte, beginnend am 01.07.2017 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.947,61 €. In dem der Berechnung der Rente zu Grunde liegenden Versicherungsverlauf waren die Zeiten vom 01.12.1975 bis 30.11.1976 und vom 11.11.1975 bis 30.04.1977 nicht als Kindererziehungszeit bzw. als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung einbezogen worden.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch beanstandete die Klägerin u.a. die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der Zeit vom 11.11.1975 bis 30.04.1977. In dem auf Anforderung der Beklagten ausgefüllten Antrag auf Feststellung von Kindererziehungs- /Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gab die Klägerin an, die Erziehung sei vom 11.11.1975 bis 30.04.1977 außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, sie habe vor, während oder nach der Erziehungszeit keine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in Deutschland sowie im EU-Ausland ausgeübt und auch unmittelbar vor Beginn sowie währe...