Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Vereinsmitglied. Zeitpunkt der Anerkennung. öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft. Mitgliedspflicht. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Handlungstendenz. Zeuge Jehovas. Bau eines Königreichssaales
Leitsatz (amtlich)
1. Ein getauftes Vereinsmitglied der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas Deutschland eV steht während einer ca 8-10-stündigen Mithilfe beim Bau eines Königreichssaales nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
2. Er wird hierbei aufgrund einer allgemeinen Vereinsübung tätig.
Orientierungssatz
Ungeachtet der nunmehr erfolgten Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist im vorliegenden Fall maßgebend der Rechtszustand im Unfallzeitpunkt (hier 2001), so dass die erst im Jahr 2006 erfolgte Anerkennung der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Auswirkungen auf den vorliegenden, in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt hat.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.10.2005 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall und über die Gewährung von Entschädigungsleistungen.
Der 1980 geborene Kläger erlitt am 27.10.2001 einen Unfall, als er beim Bau eines Königreichssaals für Jehovas Zeugen von einem umstürzenden Kranausleger getroffen wurde und aus einer Höhe von ca. 5 bis 7 Meter zu Boden fiel. Er zog sich hierbei ausweislich des Durchgangsarztberichts der BG-Unfallklinik L vom 2.11.2001 eine Weichteilverletzung am linken Oberschenkel mit Einriss der Vena poplitea, eine Beckenschaufelfraktur links und eine Clavikulafraktur links zu.
Bauherr des Königshauses war der Verein Zeugen Jehovas Versammlung ., eine Untergliederung der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." mit Sitz in B . Beim Bau solcher Königreichssäle der Zeugen Jehovas werden im Wesentlichen unentgeltliche Helfer aus der eigenen Versammlung und den umliegenden Versammlungen tätig. Sie führen den ganz überwiegenden Teil der Bauarbeiten in Eigenleistung durch. Der Königreichssaal, bei dessen Errichtung der Kläger verunglückte, sollte aufgrund eines Beschlusses des Vorstands des Vereins in der Zeit vom September 2001 bis Dezember 2001 in V , G.-H.-B.-Straße, erbaut werden. Beim Bau dieser Versammlungsstätte halfen nach Auskunft der Versammlung V . ca. 50 Gemeindemitglieder/Verkündiger aus der eigenen Versammlung und 400 Freiwillige aus 97 anderen Versammlungen und aus ca. 51 anderen Orten mit. Etwa 90 % der Arbeiten wurden nach den Ermittlungen der Beklagten bei diesem Vorhaben in Eigenleistung erbracht, etwa 10 % durch Fremdfirmen. Eine solche Fremdfirma, die Firma W Autokrane und Schwertransporte GmbH in L , war für den Aufbau des Krans verantwortlich. Sie war bei der Gerling Allgemeine Versicherungs-AG haftpflichtversichert, gegen die der Kläger zivilrechtliche Forderungen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend macht.
Der Kläger, gelernter Tischler, war im Zeitpunkt des Unfalls getauftes Mitglied der übergeordneten "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." und gehörte der örtlichen Versammlung M.-Südwest als Gemeindemitglied/Verkündiger an. Er war kein Vereinsmitglied der örtlichen Versammlung M.-Südwest. Zu solchen Vereinsmitgliedern gehören lediglich die 10 bis 12 Ältesten der Versammlung. Er half aus eigenem Antrieb unentgeltlich am Bauprojekt mit. Nach seinen eigenen Angaben war sein Einsatz auf eine ca. 8 bis 10-stündige Tätigkeit am Tag des Unfalls beschränkt.
Nach dem Statut der “Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." vom 14.8.1999 gehört zu den Vereinszwecken, "gottesdienstliche Zusammenkunftsstätten wie z.B. Königreichssäle und Kongresssäle zu beschaffen, zu unterhalten und zu verwenden" (§ 2 Abs 3d des Statuts). Die örtliche Versammlung ist die unterste Gliederung der “Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V.„, mit der die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft verbunden sind (§ 3 Abs. 3 der Statuts). In § 4 Abs 1 des Statuts heißt es: “Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit eines jeden Zeugen Jehovas sind grundlegende Prinzipien der Religionsgemeinschaft. Alle Dienste werden aus religiös motivierter Freiwilligkeit geleistet in dem Bewusstsein, dass es sich dabei um heiligen Dienst zur Ehre und Verherrlichung Gottes handelt. Von Gott in den verschiedenen Diensten gebraucht zu werden, wird von jedem Zeugen Jehovas als Auszeichnung betrachtet."
Mit Bescheid vom 20.3.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 27.10.2001 ab. Der Kläger sei als Helfer unentgeltlich tätig und somit nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versichert gewesen. Er habe auch ...