Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Notfallambulanz. Vergütung. Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Darlegungslast eines Krankenhauses im Abrechnungsverfahren gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 6 KA 68/17 R
Leitsatz (amtlich)
Ein Krankenhaus muss die Notwendigkeit von Labor- und Röntgenleistungen als Notfallleistung anstelle eines Vertragsarztes jedenfalls dann spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides der Kassenärztlichen Vereinigung begründen, wenn eine Vielzahl von EBM (Ä) - Positionen (juris: EBM-Ä 2008) betroffen und im HVM geregelt ist, dass die Angabe der betreffenden Tatsachen schon im Abrechnungsverfahren erforderlich ist.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.11.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für das Quartal II/2014 in Höhe von 1.755,46 €.
Die Klägerin ist die Trägerin des Krankenhauses Klinikum I . Sie erbrachte im Quartal II/2014 in ihrer Notfallambulanz ambulante Notfallleistungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und rechnete diese unter Vorlage der Notfallscheine gegenüber der Beklagten, der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Rheinland-Pfalz, ab.
Mit Bescheid vom 14.8.2014 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung für das Quartal II/2014 vor. Sie kürzte die Abrechnung ua um die Vergütung für bestimmte Leistungen (Laborleistungen und radiologische Leistungen), da die Behandlung während der regulären Sprechstunden der vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte erfolgt sei und die Klägerin keine Umstände dargelegt habe, die ausnahmsweise die Notwendigkeit der Durchführung der Maßnahmen im Krankenhaus rechtfertigten. Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser dürften ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und eine Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Demnach bestehe ein Vergütungsanspruch für Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser nur in sprechstundenfreien Zeiten, weil ansonsten Vertragsärzte die Behandlung übernehmen könnten. Eine Ausnahme hiervon gelte nur dann, wenn auch während der Sprechstundenzeiten die Behandlung durch Vertragsärzte nicht vertretbar sei bzw wegen sofort einzuleitender Maßnahmen, falls nicht der Rettungsdienst zuständig bzw eine stationäre Aufnahme erfolgt sei. Nicht vertretbare Umstände seien im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen (Hinweis auf die Regelungen zur Vergütung von Notfallleistungen im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten - HVM -). Die Beklagte führte die einzelnen Leistungen an Versicherte an, deretwegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung erfolgt sei, weil die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung erstreckte sich auch auf andere, den vorliegenden Rechtsstreit nicht betreffende Sachverhalte.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, ua bezüglich der im vorliegenden Rechtsstreit streitbefangenen Komplexe. Sie führte zur Begründung an, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Leistungen von Krankenhäusern im Rahmen von Notfallbehandlungen grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären; bei den von der Beklagten aufgeführten Fällen habe es sich jeweils um Notfälle im Sinne des § 3 des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V gehandelt, da die Versorgung durch den jeweiligen Vertragsarzt aufgrund der Umstände nicht vertretbar gewesen sei; sie, die Klägerin, habe jeweils eine Begründung angegeben.
Mit “Teilwiderspruchsbescheid„ vom 29.7.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser dürften die EBM (Ä)-Nrn 01210 bis 01219 nur berechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und die Versorgung durch einen Vertragsarzt oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei (Hinweis auf Kapitel II Nr 1.2 EBM 8 [Ä] für die Versorgung im Notfall- und organisierten Notfalldienst). Nach § 6 Abs 1 HVM dürften nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffe...