Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Gewährung eines Hilfsmittels. kein Anspruch auf zusätzliche Ausstattung eines Faltrollstuhls mit elektrischem Hilfsantrieb
Orientierungssatz
1. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen gehören das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflege, selbständiges Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl BSG vom 26.3.2003 - B 3 KR 23/02 R = BSGE 91, 60 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3).
2. Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf zusätzliche Ausstattung eines Faltrollstuhls mit einem elektrischen Hilfsantrieb, wenn er zur Fortbewegung mit einem Faltrollstuhl als auch mit zwei Unterarmgehstützen in der Wohnung sowie mithilfe des Elektrorollstuhls innerhalb des Nahbereiches seiner Wohnung am Wohnort fähig ist.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausstattung seines Faltrollstuhls mit einem Elektrohilfsantrieb hat, obwohl er bereits mit einem Elektrorollstuhl versorgt ist.
Der 1947 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet infolge einer Multiplen Sklerose in sekundär-chronisch-progredienter Verlaufsform, an einer beinbetonten Tetraspastik und Paraparese der Beine sowie Tetraataxie und neurogenen Blasenstörung. Er kann bis zu fünfzig Meter weit mit Hilfe von zwei Unterarmgehstützen bzw. einem Rollator gehen und ist im Übrigen auf den Rollstuhl angewiesen. Zu Lasten der Beklagten ist er deshalb mit einem Elektrorollstuhl und einem Faltrollstuhl versorgt. Erstmals im November 1999 hatte der Kläger die Ausstattung seines Faltrollstuhls mit einer elektrischen Schiebehilfe beantragt, was laut Kostenvoranschlag des Lieferanten Kosten in Höhe von 8.709,75 DM verursacht hätte. Dieser Antrag war erfolglos geblieben (Bescheid der Beklagten vom 09.12.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2000; klagabweisendes Urteil des Sozialgerichts Trier vom 18.10.2000 - S 5 KR 38/00 -). Ebenso waren Folgeanträge des Klägers in den Jahren 2001 und 2002 abgelehnt worden.
Gestützt auf eine vertragsärztliche Verordnung der Nervenärzte Dres L und J vom 17.07.2003 beantragte der Kläger erneut im Juli 2003 die Kostenübernahme für eine elektrische Schiebehilfe, welche die Beklagte wiederum ablehnt, weil die beantragte zusätzliche Hilfsmittelausstattung das Maß des Notwendigen überschreite (Bescheid vom 31.07.2003 in Gestalt des dem Kläger am 23.10.2003 zugestellten Widerspruchsbescheides vom 10.10.2003).
Die hiergegen am 17.11.2003 erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier (SG) durch Gerichtsbescheid vom 03.08.2004 abgewiesen. Der Kläger sei ausweislich der von ihm selbst vorgelegten Bescheinigung des Dr L vom 14.11.2003 durchaus noch in der Lage, den Faltrollstuhl selbständig zu bewegen. Es sei lediglich davon auszugehen, dass er den Faltrollstuhl nicht mehr über längere Strecken selbständig bewegen könne. Auch wenn dementsprechend die Ausstattung des Faltrollstuhls mit einem Elektroantrieb empfehlenswert sei, begründe dies nicht die krankenversicherungsrechtliche Notwendigkeit der entsprechenden Hilfsmittelversorgung. Vielmehr sei der Kläger weiterhin ausreichend mit den zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigten Hilfsmitteln versorgt.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.09.2004 Berufung eingelegt. Er macht geltend, aus der Bescheinigung von Dr L vom 14.11.2003 ergebe sich nicht, dass er in der Lage sei, über kürzere Strecken den Rollstuhl selbständig zu bewegen. Er habe deshalb in der Klageschrift unter Beweis gestellt, dass er mit den Händen den Rollstuhl überhaupt nicht mehr bewegen könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 03.08.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Faltrollstuhls mit einem elektrischen Zusatzantrieb auszustatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr M ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 22.06.2005 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Kläger könne mittels des Elektrorollstuhles seine Grundbedürfnisse innerhalb des Wohnortes voll erfüllen, sei darüber hinaus aber in seiner Lebensqualität durch das fehlende Hilfsmittel, die Elektrohilfe für den Faltrollstuhl, eingeschränkt. Zum Besuch weiter entfernt liegender Orte helfe der Elektrorollstuhl nicht, weil er mittels Pkw unter den derzeit gegebenen Verhältnissen - ein entsprechend ausgerüstetes Fahrzeug fehle - nicht transportabel sei. Es gehöre a...