Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirksamkeit von Abtretungsbeschränkungen und -ausschlüssen in Abrechnungsordnungen Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigungen. Hinterlegung. Ungewissheit über Person des Gläubigers. Zweifel an Wirksamkeit einer Abtretung ausreichend. Zahlungen des Schuldners an Rechtsanwalt als Betreuer "zu treuen Händen". Rückforderungsanspruch bei rechtsgrundloser Zahlung. Forderung einer Leistung, die alsbald zurückzugewähren ist. Treu und Glauben
Orientierungssatz
1. Zur Wirksamkeit von Abtretungsbeschränkungen und -ausschlüssen in Abrechnungsordnungen Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigungen.
2. Hat der Schuldner Zweifel an der Person des Gläubigers, weil ungewiss ist, ob die Abtretung von Honorarforderungen des Gläubigers im Wege einer Globalzession wirksam ist, liegt ein ausreichender Hinterlegungsgrund vor.
3. Zahlungen des Schuldners an den Rechtsanwalt des Gläubigers in dessen Eigenschaft als Betreuer "zu treuen Händen" sind als Zahlungen an den Gläubiger zu werten. Bei rechtsgrundloser Zahlung richtet sich der Rückforderungsanspruch des Schuldners nicht gegen den Rechtsanwalt, sondern gegen den Gläubiger persönlich. Es stellt einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, wenn der Gläubiger Leistungen fordert, die er alsbald zurückzugewähren hätte.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 1.4.2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung hat, dass die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) vertragszahnärztliches Honorar für die Zeit vom 3.7.2007 bis zum 12.9.2008 nicht mit schuldbefreiender Wirkung in Höhe von 58.639,25 € an Rechtsanwalt S , den damaligen Betreuer des Klägers hinsichtlich der Vermögensvorsorge, gezahlt und in Höhe von 140.687,78 € beim Amtsgericht (AG) K hinterlegt hat, und die Beklagte zu verurteilen ist, das Honorar erneut „gemäß Weisung des Zessionars“ - gemeint: des Beigeladenen auszuzahlen.
Der Kläger ist als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen. Am 15.12.1992 hatte er alle Honorarforderungen gegen die Beklagte an seine frühere Ehefrau U S abgetreten. Am 12.9.2008 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.9.2008 trat U S diese Honorarforderungen an den beigeladenen H S , den Vater des Klägers, ab. Ab 1.4.2009 gab die Gläubigerversammlung das Vermögen des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit frei. In der Annahme der Unwirksamkeit der Abtretungen trat U S am 25.8.2009 alle Honorarforderungen an den Kläger ab. Am 22.6.2011 trat der Kläger alle Honorarforderungen an den Beigeladenen ab.
Rechtsanwalt S als damaliger Betreuer des Klägers hatte zuvor die Beklagte mit Schreiben vom 15.7.2007 aufgefordert, die fällige Zahnarztvergütung „zu treuen Händen“ auf eines seiner Konten zu überweisen, nachdem ihm die Beklagte mitgeteilt hatte, dass sie unter Hinweis auf ihre Abrechnungsordnung keine Zahlungen auf das luxemburgische Konto des Klägers leisten werde. Die Beklagte hatte daraufhin im Zeitraum vom 26.6.2007 bis zum 23.8.2007 Zahlungen an Rechtsanwalt S in Höhe von insgesamt 58.639,25 € geleistet (zu den Einzelbeträgen Bl 307 GA). Ab dem 24.9.2007 hatte die Beklagte Honorarleistungen, ua wegen Pfändungen, in Höhe von insgesamt 140.687,78 € unter Ausschluss der Rücknahme beim Amtsgericht (AG) K hinterlegt.
Mit seiner am 26.7.2008 beim Sozialgericht (SG) Mainz erhobenen Klage (S 2 KA 242/09) hatte der Kläger beantragt festzustellen: „1. Die beklagte KZV kann Vergütungen des Klägers unter KZV Abrechnungs-Nr 1664-8 mit schuldbefreiender Wirkung ausschließlich an den seit 1996 von der KZV anerkannten und bestätigten Abtretungsgläubiger bzw dessen Rechtsnachfolger zahlen. 2. Die KZV haftet dem Grunde nach dem Kläger für jeden materiellen und immateriellen Schaden, der durch die rechtswidrige Missachtung der 1996 anerkannten und bestätigten Abrechnung resultiert“.
Mit Beschluss vom 11.6.2013 hat sich das SG Mainz für „sachlich unzuständig“ erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) Mainz verwiesen. Das Verfahren ist danach beim LG Mainz fortgeführt worden (2 O 173/13; 4 O 158/13). Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für das dortige Verfahren blieb erfolglos, da das LG Mainz und auf die sofortige Beschwerde des Klägers das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz zu dem Ergebnis gelangten, dass das Begehren des Klägers auf Amtshaftung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe (Beschluss des LG Mainz vom 8.7.2013 - 4 O 158/13; Beschluss des OLG Koblenz vom 16.9.2013 - 1 W 442/13).
Mit Schriftsatz vom 14.5.2015 an das SG Mainz hat der Kläger erklärt, er nehme das Verfahren hinsichtlich der Vergütungsansprüche wieder auf; beim LG Mainz seien lediglich Schadensersatzansprüche wegen Amtshaftung anhängig. Erstinstanzlich hat ...