Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Fünf- bzw Vierpersonenhaushalt in Zweibrücken in Rheinland-Pfalz. Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Fehlen eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers. Heranziehung der Wohngeldtabelle. Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen mangels Nachweis der Verfügbarkeit einer konkreten Unterkunftsalternative für die zusammenlebenden 7 Familienmitglieder. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Bei der im Rahmen von § 22 SGB 2 vorzunehmenden Prüfung, ob eine konkrete Unterkunftsalternative für eine abstrakt angemessene Wohnung bestanden hat, ist mit Blick auf Art 6 Grundgesetz auf die konkreten Verhältnisse der zusammenlebenden Familie abzustellen, auch wenn nicht alle Mitglieder zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB 2 gehören.
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzeptes des Grundsicherungsträgers zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten iS des § 22 SGB 2 für die kreisfreie Stadt Zweibrücken in der Zeit vom 1.1.2005 bis 31.3.2007.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2002-12-24, § 7 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2004-07-30, § 28 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2004-07-30; WoGG § 8 Abs. 1 Fassung: 2003-12-24; WoGV § 1 Abs. 4 Fassung: 2001-10-25; GG Art. 6 Abs. 1; SGG § 103 S. 1 Halbs. 2; BGB § 214 Abs. 1
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.07.2006 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger aller Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Januar bis Mai 2005 und von Dezember 2005 bis Januar 2006.
Die 1963 geborene Klägerin zu 1) ist die Ehefrau des am … 1938 geborenen H R. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen: die am ... 1985 geborene M (nicht am Verfahren beteiligt), der am ... 1987 geborene J (Kläger zu 2), die am … 1990 geborene J (Klägerin zu 3), die am … 1995 geborene M (Klägerin zu 4) sowie der am … 2002 geborene J J (Kläger zu 5).
Die Familie bewohnte seit 1999 ein gemietetes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von rund 138 qm. Die Warmwasserversorgung erfolgte mittels Gasheizung. Laut Mietbescheinigung der Hausverwaltung S vom 19.04.2005 betrug die Kaltmiete ab dem 01.07.2004 812,96 Euro monatlich zzgl. 14,13 € monatlicher Gebühren für einen Kabelanschluss, 25,00 € monatlicher Garagenmiete sowie 17,11 € monatlich für sonstige Nebenkosten (Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Heizungswartung, Schornsteinfegerkosten), insgesamt also 869,20 €. Nach einer Abrechnung der Hausverwaltung vom 20.04.2005 fielen im Jahr 2004 ohne Kabelgebühren tatsächlich monatlich höhere Nebenkosten von 77,57 € an. Die Kosten für den Kabelanschluss waren für die Kläger nicht vermeidbar. Die von den Klägern unmittelbar an den Versorger zu entrichtenden Abfallgebühren beliefen sich 2005 und 2006 auf insgesamt 460,80 €, die in 4 Abschlägen zu je 115,20 € im März, Juni, September und Dezember zu zahlen waren. Bezüglich Strom, Erdgas, Wasser und Abwasser bestand ein Versorgungsvertrag mit den S 2005 waren an diese 10 Abschläge in Höhe von je 283,00 € zu zahlen (davon jeweils 144,00 € für Erdgas, 37,00 € für Wasser, 24,00 € für Abwasser). Im streitigen Zeitraum waren die Abschläge im Februar und April 2005 fällig. Im Februar 2005 wurden zudem nach der Verbrauchsabrechnung für 2004 261,91 € gefordert; die Übernahme dieser Kosten wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 23.03.2005 abgelehnt. Ab 2006 erhöhte sich der Abschlagsbetrag auf 352,00 € (davon 92,00 € für Strom). Die Abschläge waren monatlich ab Februar 2006 (also außerhalb des hier streitigen Zeitraumes) zu entrichten.
Der Ehemann der Klägerin bezieht eine Altersrente, die ab dem 01.04.2004 279,55 € monatlich betrug; zudem erhielt er Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Für die fünf Kinder wurde im streitgegenständlichen Zeitraum Kindergeld gezahlt; für die ältesten drei [ … und die Kläger zu 2) und 3)] je 154,00 Euro monatlich und für die Kläger zu 4) und 5) je 179,00 Euro monatlich. Kindergeldberechtigt war zunächst der Ehemann der Klägerin zu 1), ab dem 01.05.2005 die Klägerin zu 1) selbst. Die Klägerin zu 1) nahm im August 2005 eine selbstständige Tätigkeit als Musikerin und Künstlerin auf, wofür ihr Einstiegsgeld gewährt wurde. Im streitgegenständlichen Zeitraum erzielte sie daraus keinen Gewinn.
Vor 2005 erhielt die Familie von der Stadt Z laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die Wohnkosten wurden nicht in voller, sondern nur in als angemessen angesehener Höhe gewährt. Im Februar 2004 war der Familie von der Stadtverwaltung eine ca. 125 qm große Wohnung angeboten worden, die diese als ungeeignet abgelehnt hatte.
Im November 2004 stellte die Klägerin zu 1) beim Beklagten den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Die Tochter der Kläger...