Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. fehlendes schlüssiges Konzept. Datenbestand des Jobcenters keine repräsentative Stichprobe. keine Nachbesserung des Konzepts durch Ausweitung auf Gesamtwohnungsmarkt
Leitsatz (amtlich)
1. Ein allgemeiner Erfahrungssatz mit dem Inhalt, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB 2 eine repräsentative Auswahl aller Mieter bilden, da sie Wohnungen aller Standards in einer der Gesamtheit der Mieter annähernd entsprechenden Verteilung bewohnen, existiert nicht.
2. Der Datenbestand eines Jobcenter ist regelmäßig keine hinreichende Datengrundlage für ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Miete, da die Daten der ALG II-Leistungsberechtigten kein Abbild des Gesamtwohnungsmarktes des relevanten Vergleichsraums wiedergeben.
3. Hat ein Leistungsträger sein Konzept fehlerhaft auf seinen eigenen Datenbestand gestützt, stellt eine Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes auf den Gesamtwohnungsmarkt keine Nachbesserung, sondern die Erstellung eines neuen Konzepts dar.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2003-12-24; WoGG § 8 Fassung: 2003-12-24, § 5 Abs. 1, 2 Fassung: 2003-12-24; SGG § 103 S. 1; WoGV § 1 Abs. 4 Fassung: 2001-01-15
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 17.05.2006 wird aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2005 in der Fassung des Bescheides vom 06.06.2006 verurteilt, den Klägern höhere Leistungen zu ihren Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.04.2005 bis zum 30.09.2005 zu gewähren.
2. Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten die Bewilligung höherer Leistungen zu ihren Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Rahmen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.04. bis zum 30.09.2005.
Die 1979 geborene Klägerin zu 1 lebte mit ihrem früheren Ehemann G N und ihren beiden Kindern, dem am 1998 geborenen Kläger zu 2 und der am 1997 geborenen Klägerin zu 3, in einer gemeinsamen Wohnung in Z. Alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bezogen seit dem 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach der Trennung von ihrem Ehemann mietete die Klägerin zu 1 am 07.03.2005 zum 15.03.2005 für sich und ihre Kinder eine Drei-Zimmer-Wohnung in der E in Z mit einer Wohnfläche von 80 qm nebst Gartennutzung an. Die Wohnung war mit einer Gasheizung ausgestattet. Die Gesamtwohnfläche des Hauses betrug weniger als 250 qm. Die monatliche Kaltmiete belief sich im streitigen Zeitraum auf 380,00 €. Daneben fiel eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 61,10 € an, so dass monatlich insgesamt 441,10 € an die Vermieterin zu zahlen waren. Die Klägerin zu 1 hatte zudem aufgrund eines Versorgungsvertrags mit den Stadtwerken Z für Gas eine monatliche Vorauszahlung von 80,00 € zu entrichten. Mit der Heizenergie wurde auch das Warmwasser bereitet. Kochenergie wurde nicht aus Gas gewonnen. Eine Abrechnung der Heizkosten und der Betriebskosten mit Rückzahlung oder Nachforderung fand während des streitigen Bewilligungszeitraums nicht statt.
Die Klägerin zu 1 ging einer geringfügigen Beschäftigung nach und erzielte daraus monatliche Einnahmen von 300,00 € von Januar bis Mai 2005 und 390,00 € ab Juni 2005. Daneben bezog sie für ihre beiden Kinder Kindergeld in Höhe von jeweils 154,00 € monatlich. Die Kläger zu 2 und 3 erhielten monatliche Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von jeweils 164,00 €.
Auf den umzugsbedingten Änderungsantrag der Klägerin zu 1 vom 07.03.2005 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden als Beklagter bezeichnet) den Klägern für die Zeit vom 01.04. bis zum 30.09.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 442,23 € (Bescheid vom 23.03.2005, Widerspruchsbescheid vom 25.04.2005, Änderungsbescheid vom 06.06.2006). In dem Bewilligungsbescheid vom 23.03.2005 war eine Regelung über die Absenkung der Leistungen der Klägerin zu 1 um 10 vH der Regelleistung wegen eines Meldeverstoßes für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.07.2005 enthalten. Der Absenkungsbetrag von jeweils 34,50 € wurde im Bescheid als "sonstiges Einkommen" ausgewiesen. Die Sanktion wurde durch Bescheid vom 06.06.2006 zurückgenommen und der einbehaltene Gesamtbetrag von 103,50 € an die Klägerin zu 1 ausgezahlt.
Der Leistungsberechnung legte der Beklagte einen Gesamtbedarf von 1.294,70 € zugrunde. Dabei berücksichtigte er Regelbedarfe der Klägerin zu 1 von 345,00 € und der Kläger zu 2 und 3 in Höhe von jeweils 207,00 € sowie einen Mehrbedarf der Klägerin zu 1 wegen Alleinerziehung in Höhe von 124,00 € monatlich. Aufwendungen für KdU wurden insgesamt in Höhe von 411,70 € pro Monat berücksichtigt. Diese setzten sich zusammen aus einer für angemessen erachteten Nettokaltmiete von (75 qm x 3,80 €/qm =) 285,00 € zuzüglich Nebenkosten von 61,10 ...