Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Berufungsfrist. Nachweis der Zustellung des Urteils. Anforderungen an die Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses
Leitsatz (amtlich)
Auch ein unleserlicher Schriftzug auf einem Empfangsbekenntnis kann eine rechtswirksame Unterschrift iS des § 174 Abs 4 ZPO iVm § 202 SGG sein.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 20.1.2010 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob der Kläger wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze von der Beklagten bezogene Altersrente zurückerstatten muss. Vorrangig steht die fristgerechte Einlegung der Berufung im Streit.
Wegen des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze durch den Kläger erließ die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 29.8.2006 am 19.9.2006 einen Bescheid, mit dem die bezogene Altersrente des Klägers teilweise gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben wurde. Der Kläger habe gewusst oder jedenfalls grobfahrlässig nicht gewusst, dass der Anspruch auf Rente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze teilweise entfallen sei. Die Beklagte forderte insgesamt 6.828,63 Euro vom Kläger zurück.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5.6.2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Die vor dem Sozialgericht (SG) Mainz erhobene Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 20.1.2010 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt habe.
Die Geschäftsstelle des SG hat die Zustellung des Urteils gegen Empfangsbekenntnis der Beteiligten veranlasst.
Auf Aufforderung des Senats hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.4.2010 das von der Geschäftstelle an die Beklagte per Post übermittelte Formular des Empfangsbekenntnisses bezüglich des sozialgerichtlichen Urteils vom 20.1.2010 vorgelegt. Zuvor war das Empfangsbekenntnis in elektronischer Form übermittelt worden. Es trägt in der für das Datum und die Unterschrift vorgesehenen Zeile das handschriftlich eingetragene Datum "11.03.2010", wobei ein anderes Datum überschrieben wurde. Daneben findet sich ein handschriftlich aufgebrachter Schriftzug, der mit einem nach rechts offenen Rundbogen beginnt, sich sodann mit einer flach ansteigenden und langgezogenen Welle fortsetzt und mit einem Aufstrich nach oben links endet. Während aus dem zuvor bereits elektronisch übermittelten Exemplar keine weiteren handschriftlichen Eintragungen ersichtlich sind, ist auf dem per Post übermittelten Exemplar folgender handschriftlicher Zusatz aufgebracht: "Mail am 15.03.10 Cal".
Die Berufung der Beklagten ist am 14.4.2010 beim LSG Rheinland-Pfalz eingegangen.
Mit Schreiben vom 4.5.2010 hat der Senat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Frist von einem Monat für die Einlegung der Berufung nicht eingehalten worden sei. Das Urteil sei am 11.3.2010 zugestellt worden, die Berufung aber erst am 14.4.2010 eingegangen.
Die Beklagte hat erwidert, von der Nichteinhaltung der Berufungsfrist sei nicht auszugehen. Das Empfangsbekenntnis vom 11.3.2010 sei kein tauglicher Nachweis für eine Zustellung des Urteils gemäß § 174 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da es keine Unterschrift im Sinne dieser Regelung beinhalte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 11.2.1982 - III ZR 39/81 und vom 13.5.1992 - VIII ZR 190/91) sowie des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.6.1970 - 7/2 RU 35/68) könne zwar auch ein unleserliches Schriftgebilde als Unterschrift anzusehen sein. Es müsse jedoch zumindest andeutungsweise Buchstaben erkennen lassen, aus denen ein Dritter, der den Namen des Unterzeichners kenne, diesen Namen noch herauslesen könne. Das Schriftgebilde im Empfangsbekenntnis vom 11.3.2010 sei folglich nicht als Unterschrift anzusehen. Sein senkrecht verlaufender Anfangsteil könne zwar bei wohlwollender Betrachtung noch dahingehend gedeutet werden, dass sein Urheber damit den Buchstaben C habe zur Darstellung bringen wollen. In seinem weiteren Verlauf weise das Schriftgebilde jedoch keine weiteren abgrenzbaren Ausprägungen auf, die als Andeutungen von Buchstaben aufgefasst werden könnten. Dies gelte auch und gerade dann, wenn man auf das Vorstellungsvermögen eines Betrachters abstelle, dem der Name des Urhebers bekannt sei. Die Urheberin des fraglichen Schriftgebildes trage den Nachnamen C . Der Endbuchstabe dieses Namens werde entscheidend dadurch charakterisiert, dass er in einer Abwärtsbewegung auslaufe. Dagegen werde das fragliche Schriftgebilde nicht in einer Aufwärts-, sondern in einer Abwärtsbewegung abgeschlossen, so dass der Nachname der Urheberin aus ihm nicht herausgelesen werden könne. Dies spreche für die Annahme, dass mit der Aufwärtsbewegung der Buchst...