Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Bestattungskosten. bestandskräftige Bewilligung. Entstehung weiterer Kosten für ein Grabmal. Bindungswirkung der ursprünglichen Bewilligung. Überprüfungsantrag. Jahresfrist
Orientierungssatz
1. Alle von dem Verpflichteten für eine Bestattung eingegangenen Verbindlichkeiten lösen einen einheitlichen Leistungsanspruch nach § 74 SGB 12 aus, für den die einzelnen, den Bedarf darstellenden Verbindlichkeiten Berechnungselemente sind, welche allerdings hinsichtlich der Zumutbarkeit ihrer (endgültigen) Tragung durchaus eigenständig und zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu beurteilen sind.
2. Kosten, die dem Verpflichteten zu einem späteren Zeitpunkt für die Anfertigung und Aufstellung der Grabanlage entstanden sind, können keinen eigenständigen, von den bereits zuvor geltend gemachten und teilweise bewilligten Kosten unabhängigen Übernahmeanspruch auslösen.
3. Sie sind auf dem Wege eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 SGB 10 gegen den Bescheid über die Bewilligung von Bestattungskosten nach § 74 SGB 12 geltend zu machen, wobei die Jahresfrist nach § 116a SGB 12 zu beachten ist.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.06.2018 abgeändert und die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.06.2018 wird zurückgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für einen beschrifteten Grabstein nebst Grabplatte und Grabeinfassung (im Folgenden: Grabanlage) für die verstorbene Tochter der Klägerin aus Mitteln der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die 1956 geborene, alleinlebende Klägerin, die im Stadtgebiet der Beklagten wohnt, bezieht durchgehend aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Am 11.10.2010 starb die 1989 geborene, alleinstehende, kinderlose, im Stadtgebiet der Beklagten wohnende und dort verstorbene Tochter der Klägerin (im Folgenden: die Verstorbene). Der Nachlass war überschuldet. Die Klägerin schlug das Erbe nach der Verstorbenen ebenso aus wie die 1990 geborene Schwester der Verstorbenen. Der Vater der Verstorbenen wurde 1997 von der Klägerin geschieden und ist seit 1994 unbekannten Aufenthalts in Kasachstan.
Auf Veranlassung und Kosten der Klägerin wurde die Verstorbene auf dem städtischen Friedhof der Beklagten im Stadtteil G beigesetzt. Die Klägerin beantragte am 29.11.2010 bei der Beklagten eine Bestattungskostenbeihilfe nach § 74 SGB XII. Sie legte in der Folge einen Bescheid über Friedhofsgebühren der Beklagten vom 23.11.2010 über insgesamt 1.276 € (Grabherstellungskosten für ein Erdreihengrab 526 €, Benutzung der Leichenhalle und Leichenzelle 194 €, Nutzungsrecht an der Grabstätte für 30 Jahre 520 €) vor. Ferner legte sie eine Rechnung des Bestattungsunternehmers A W vom 13.04.2011 über insgesamt 2.412,11 € vor (Rechnungspositionen unter anderem: Sarg 780 €, Beerdigung/Trauerfeier 180 €, Sargträger 291 €, Eichengrabkreuz Natur mit Schrift 96 €; im Übrigen wird auf Blatt 23 der Verwaltungsakte verwiesen).
Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die Beerdigung der Verstorbenen eine Bestattungskostenbeihilfe in Höhe von insgesamt 2.487,92 € (Bescheid vom 29.09.2011). Dabei setzte sie für eine Erdbestattung im Landkreis pauschal 1.105 € an und berücksichtigte Fremdgebühren (ohne Todesanzeige) in Höhe von 106,92 € sowie Friedhofsgebühren in Höhe von 1.276 €.
Am 03.02.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme von „Grabsteinkosten“ und legte hierzu eine Rechnung der Firma Naturstein, W, vom 02.05.2012 über insgesamt 3.100 € vor (Grabanlage Material Star Galaxy mit Schrift vertieft 34 Buchstaben einschließlich Transport, Fundament und Versetzkosten). Die Grabanlage umfasst eine Grabplatte von ca. 2 m Länge und 90 cm Breite, einen Grabstein von ca. 90 cm Breite und 1,55 m Höhe sowie die Grabbefestigung. Auf das Lichtbild 1 (hinter Blatt 122 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Auf der Rechnung ist am 02.05.2012 quittiert, dass der Betrag bar bezahlt wurde.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Klägerin bereits eine Beihilfe gewährt worden sei. Im Rahmen der Bestattungskostenbeihilfe seien die anerkennungsfähigen Kosten für eine Erdbestattung durch den örtlichen Träger pauschaliert. Die Pauschale von 1.105 € sei bereits bewilligt worden. Es sei festgelegt, dass die Bestattungskostenpauschale die erforderlichen Kosten einer einfachen, aber würdevollen Erdbestattung mit Sarg, Einsargung, Überführung zum Friedhof, Sterbekleid einfacher Ausstattung, Desinfektionsmittel, Überführung zur Trauerhalle, Sargträger, Vorbereitung und Organisation der gesamten Bestattung, Trauerdekoration und Leitung der Fei...