Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Angemessenheit der Unterkunft. Angemessenheitsprüfung beim Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine ortsübliche Vergleichsmiete. Zulässigkeit eines Kostensenkungsverlangens des Sozialleistungsträgers vor Ablauf von sechs Monaten nach Leistungsbewilligung
Orientierungssatz
1. Ein Träger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht gehalten, zur Geltendmachung eines Kostensenkungsverlangens bei einem die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Wohnraum einen Zeitraum von sechs Monaten abzuwarten.
2. Allein der Wunsch eines Hilfebedürftigen, seine aufgrund einer schweren Pflegebedürftigkeit in einem Pflegeheim lebenden Ehefrau in Zukunft womöglich wieder in seine Wohnung aufnehmen zu wollen, rechtfertigt noch nicht die Zubilligung einer größeren Wohnung als für einen Ein-Personen-Haushalt angemessen.
3. Bestehen keine regional gültigen Ansatzpunkte für die Ermittlung der Angemessenheit einer Unterkunft, so kann für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft auf die in § 8 Wohngeldgesetz angegebenen Werte zurückgegriffen werden, wobei jeweils von den höchsten Tabellenwerten auszugehen ist und zudem im Interesse des Grundsicherungsempfängers ein Sicherheitszuschlag von 10 Prozent auf die gesetzlichen Werte vorzunehmen ist.
4. Einzelfall zur Prüfung der Angemessenheit einer Wohnung bei Fehlen eines Mietspiegels und von anwendbaren Richtlinien des Kostenträgers.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. November 2006 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller im Zeitraum vom 15. September 2006 bis zum 28. Februar 2007 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 30,09 EUR für September 2006 sowie in Höhe von 60,18 EUR monatlich für die Monate Oktober 2006 bis Februar 2007 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Bewilligung weiterer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Antrags- und Beschwerdegegner; streitig sind die Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von August 2006 bis Februar 2007.
Der im Jahr 1948 geborene Antragsteller ist verheiratet. Seine im Jahr 1951 geborene Ehefrau leidet an einer Demenzerkrankung und ist seit März 2004 in einem Pflegeheim untergebracht (Pflegestufe III, GdB 100). Im Dezember 2002 waren die Eheleute in die jetzt vom Antragsteller allein bewohnte 66,79 m² große, behindertengerecht ausgestattete Mietwohnung eingezogen, die seit dem Jahr 1982 bezugsfertig ist. Der Antragsteller hatte eine Kaltmiete iHv 300,56 EUR monatlich zu zahlen, hinzu kam eine Vorauszahlung für die Betriebskosten iHv 82,36 EUR. Vorauszahlungen für die Heizkosten fielen ab 1. Februar 2006 iHv 80,00 EUR pro Monat an. Im Klageschriftsatz vom 26. Januar 2007 erklärte der Antragsteller, die Heizkosten betrügen 64,40 EUR. Der Zeitpunkt der Änderung ist nicht bekannt.
Der Antragsteller bezieht seit Januar 2005 SGB II-Leistungen. Er übte eine Nebenbeschäftigung als Auslieferungsfahrer aus und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen iHv ca. 60,00 bis ca. 75,00 EUR.
Zunächst hatte der Antragsgegner Leistungen für KdU in Höhe der tatsächlichen Kaltmiete und Betriebskosten sowie Heizkosten in reduzierter Höhe erbracht. Mit Bescheid vom 18. Februar 2006 hatte er für den Zeitraum vom 1. März bis zum 31. August 2006 monatliche Gesamtleistungen iHv 779,52 EUR bewilligt. Hiervon entfielen auf die Miete und Betriebskosten 382,92 EUR und 65,60 EUR auf die Heizkosten, wobei er die Abschlagszahlungen um 18 % für die Kosten der Warmwasserbereitung kürzte. Im Bescheid wies er den Antragsteller darauf hin, dass seine Wohnung unangemessen groß und die Miete unangemessen hoch seien.
Mit Schreiben vom 20. April 2006 vertiefte er diesen Hinweis. Die Höhe der zu übernehmenden Unterkunftskosten sei abhängig von der Personenzahl des Haushalts, der Ausstattung und dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Wohnung. Er führte aus, dass für den Antragsteller eine Wohnungsgröße von 50 m² angemessen sei, da er wegen der Unterbringung seiner Ehefrau im Pflegeheim als Alleinstehender betrachtet werde. Unterkunftskosten (Kaltmiete und Betriebskosten) könnten maximal iHv 256,00 EUR übernommen werden. Die tatsächlichen KdU iHv 382,92 EUR überstiegen diesen Höchstbetrag um 126,92 EUR. Der Antragsgegner forderte den Antragsteller auf, seine Unterkunftskosten zu senken und dies bis zum 31. Juli 2006 nachzuweisen. Nach Ablauf der Frist würden - soweit Kostensenkungsbemühungen nicht nachgewiesen würden - nur noch die vorbenannten angemessenen KdU übernommen.
Bei einer Vorsprache am 25. Juli 2006 erklärte der Antragsteller, dass er in sein...