Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsgrund. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zuschuss zum Beitrag zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragsschulden. keine Bedrohung durch Ruhen oder Verlust des Versicherungsschutzes. Hilfebedürftigkeit auch bei Darlehen nach § 24 Abs 5 SGB 2. keine Ordnungswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anordnungsgrund für eine Bewilligung eines Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung besteht nicht, wenn ein drohendes Ruhen des Versicherungsschutzes nicht glaubhaft gemacht ist.
2. Auch eine darlehensweise Leistungsbewilligung gem § 24 Abs 5 SGB 2 stellt Hilfebedürftigkeit iS von § 9 Abs 4 SGB 2 dar. Daher kann ein Ruhen des Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis nicht eintreten. Das Entstehen von Beitragsschulden führt nicht zu einer gegenwärtigen, akuten Notlage.
3. Wer infolge Hilfebedürftigkeit die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung nicht aufbringen kann, handelt nicht ordnungswidrig iS von § 121 Abs 1 SGB 11.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 18. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten - nur noch - über die vorläufige Bewilligung von Zuschüssen zu den Beiträgen für die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen der Antragsteller und Beschwerdeführer im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Antrags- und Beschwerdegegner hat seine Beschwerde gegen die Verpflichtung zur darlehensweisen Leistungsbewilligung zurückgenommen.
Die 1970 geborene Antragstellerin zu 1. und der 1965 geborene Antragsteller zu 2. sind die Eltern der minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. Sie bewohnen als Bedarfsgemeinschaft eine 135 m² große Wohnung in einem im Eigentum des Antragstellers zu 2. stehenden Mehrfamilienhaus. Dieser ist Eigentümer von zwei weiteren Immobilien. Die Antragsteller zu 1. und 2. sind als Versicherungsmakler bzw. Versicherungsvertreter selbstständig tätig.
Die Antragsteller sind privat kranken- und pflegeversichert bei der H. Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit bzw. der B. Krankenversicherung a.G. Für Krankenversicherungsbeiträge fallen 839,72 EUR/Monat und für Pflegeversicherungsbeiträge 44,57 EUR/Monat, insgesamt 884,29 EUR/Monat an. Die Antragsteller haben nicht von der Möglichkeit des Wechsels in den Basistarif ihrer Krankenversicherungen Gebrauch gemacht; dafür würden Gesamtbeiträge i.H.v. 801,57 EUR/Monat anfallen.
Der Antragsgegner war bereits mit Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. Juli 2011 verpflichtet worden, den Antragstellern für die Zeit vom 11. April bis zum 30. September 2011 darlehensweise Leistungen i.H.v. 1.006,84 EUR/Monat zu bewilligen. Hinsichtlich der begehrten Übernahme der Beiträge für die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen hatte das Gericht mangels Vorliegen eines Anordnungsgrunds die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners abgelehnt (S 19 AS 620/11 ER). Die Beschwerde des Antragsgegners war mit Beschluss des erkennenden Senats vom 30. August 2011 als unzulässig verworfen worden (L 5 AS 330/11 B ER). In Ausführung des sozialgerichtlichen Beschlusses hatte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. Juli 2011 zusätzlich 492,31 EUR/Monat als Zuschuss für die Kranken- und Pflegeversicherungen bewilligt.
Mit Bescheid vom 20. September 2011 lehnte der Antragsgegner den Weiterbewilligungsantrag mangels Hilfebedürftigkeit ab und forderte die Antragsteller auf, einen Darlehensantrag nach § 24 Abs. 5 SGB II zu stellen.
Am 30. September 2011 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für die Zeit ab dem 1. Oktober 2011 gestellt. Wegen Überschuldung der Immobilien sei kein verwertbares Vermögen vorhanden; jedenfalls sei eine kurzfristige Verwertung nicht möglich. Ohne Leistungen nach dem SGB II könnten sie weder ihren Lebensunterhalt sichern noch Beiträge zu den privaten Kranken- und Pflegeversicherungen aufbringen.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 18. Oktober 2011 verpflichtet, vorläufig für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis längstens 31. März 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 1.006,84 EUR als Darlehen zu bewilligen. Auf den Gesamtbedarf von 1.681,97 EUR/Monat seien Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, aus Vermietung und Verpachtung sowie das Kindergeld i.H.v. insgesamt 675,13 EUR/Monat anzurechnen. Ein Anordnungsgrund für die vorläufige Übernahme von Zuschüssen zu den Beiträgen der privaten Krankenversicherungen sei nicht glaubhaft gemacht. Das Entstehen von Beitragsschulden rechtfertige nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, da die Antragsteller dadurch nicht in eine existentielle Notlage gerieten. Auch dann sei das Krankenversicherungsunternehmen verpflichtet, die vertraglichen Leistungen zu erbringen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller seien vom Antragsgegner zu 6/10 zu erstatten.
Gegen den...