Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. fehlender Anordnungsgrund. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Angebot einer darlehensweisen Leistungsgewährung durch den Grundsicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
Der SGB 2-Leistungsbezieher ist regelmäßig verpflichtet, ein ihm angebotenes Darlehen zu prüfen und mit dem Leistungsträger zu klären, bevor ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden kann. Tut er dies nicht, fehlt es regelmäßig an einem Anordnungsgrund.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2; SGB II § 2 Abs. 1 S. 1; ZPO § 920 Abs. 2
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. Januar 2015 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abgelehnt.
Den Beschwerdegegnern wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsgegner) begehrt die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) mit dem der Antragsgegner, unter Antragsablehnung im Übrigen, im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet worden ist, den Antragstellern für den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Februar 2015 monatlich 656,00 EUR an Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu zahlen.
Die Antragsteller und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsteller) leben in einer Bedarfsgemeinschaft in einem Eigenheim in R. Der Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. sind verheiratet und haben fünf minderjährige Kinder (Antragsteller zu 3.: geboren 2003; Antragsteller zu 4.: geboren 2005; Antragsteller zu 5.: geboren 2008; Antragsteller zu 6: geboren 2012; Antragsteller zu 7.: geboren 2014). Die Bedarfsgemeinschaft steht im Leistungsbezug beim Beklagten und erhält Leistungen nach dem SGB II. Nach einem Grundbuchauszug des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 19. Juli 2013 ist der Antragsteller zu 1. Eigentümer der Gebäude- und Nebenfläche in B. Mit Schreiben vom 6. Februar 2014 forderte der Antragsgegner vom Antragsteller zu 1. u.a. Lagepläne von dem Grundstück in B. vorzulegen. Der Antragsgegner errechnete auf der Grundlage der Bodenrichtwerte einen Wert des Grundstücks von 43.260,00 EUR.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2014 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern im Wege der vorläufigen Bewilligung darlehensweise SGB II-Leistungen gemäß § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Zugleich gab er den Antragstellern u.a. auf, innerhalb des Bewilligungsabschnitts umfassende Verkaufsbemühungen der Flurstücke 22/2 und 23/1 in B. zu dokumentieren und nachzuweisen. Am 14. Juli 2014 ging eine Erklärung des Antragstellers zu 1. vom 10. Juli 2014 beim Antragsgegner ein. Darin gab dieser an: Er habe Kontakt mit zwei Immobilienverwaltern und einem Hausverwalter Anfang/Mitte Juni 2014 aufgenommen. Hierüber habe er keine schriftliche Auskunft erhalten. Nach mündlicher Aussage der Verwalter sei das Grundstück unattraktiv und schwer verkäuflich.
Am 30. Oktober 2014 stellten die Antragsteller einen Weiterbewilligungsantrag auf Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 5. November 2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab und führte aus: Der Antragsteller zu 1. verfüge wegen des Grundstücks in B. über ein verwertbares Vermögen von insgesamt 45.090,00 EUR. Nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 18.600,00 EUR bestehe keine Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft. In zwei Schreiben vom selben Tage belehrte der Antragsgegner die Antragsteller über einen Ersatzanspruch bei schuldhafter Herbeiführung der Bedürftigkeit gemäß § 34 SGB II sowie über die Möglichkeit einer darlehensweisen Gewährung der Leistungen nach dem SGB II. Sollte der sofortige Zugriff auf die berücksichtigungsfähigen Vermögenswerte unmöglich sein, könne die Leistungsgewährung in Form eines Darlehens erfolgen. Wörtlich wird in diesem Schreiben weiter ausgeführt: "Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie die darlehensweise Gewährung der Leistung wünschen." Mit einem weiteren Schreiben vom 5. November 2014 hat der Antragsgegner ein Verkehrswertgutachten beim Landesamt für Vermessung und Geoinformation in Auftrag gegeben und gleichzeitig den Antragsteller zu 1. darüber informiert.
Am 17. November 2014 legten die Antragsteller, nunmehr anwaltlich vertreten, gegen den Bescheid Widerspruch ein und machten geltend: Bei dem Grundstück in B. handele es sich um ein unbebautes Grundstück. Der Antragsteller zu 1. habe in der Vergangenheit mehrfach und ernsthaft versucht, das Grundstück zu veräußern, was jedoch nicht gelungen sei. Das Grundstück sei nicht als "bereites Mittel" anzusehen, so dass weiterhin SGB II-Leistungen vom Antragsgegner zu bewilligen seien. Der Verkehrswert des Grundstücks betrage zudem höchstens 15.000,00 EUR. Der Antragsteller zu 1. habe am besagten Objekt Abrissarbeiten vornehmen und hierfür 14.000,00 EUR aufbringen müssen, mit denen er immer noch belastet sei.
Mit Schreiben vom 21. November 2014, das am selben Tage pe...