Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung einer Eigenheimzulage als Einkommen. Umfang der Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts bei der Prüfung der Berücksichtigungsfähigkeit von Tilgungsleistungen auf ein Hausdarlehen als Kosten der Unterkunft

 

Orientierungssatz

1. Soweit eine Eigenheimzulage der Finanzierung des Eigenheims bzw. diesbezüglicher Bau- und Sanierungsmaßnahmen dient und dafür tatsächlich eingesetzt wird, ist sie im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht als Einkommen zu berücksichtigen (Anschluss BSG, Urteil vom 30. September 2008, Az.: B 4 AS 19/07 R).

2. Ein Sozialgericht ist nicht gehalten, im Wege der Amtsermittlung in einem Sozialrechtsstreit über die Rückforderung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen aus einem Darlehen für ein selbstgenutztes Eigenheim des Hilfeempfängers zu prüfen, wenn dieser im Rahmen des Verfahrens keine Notsituation geltend gemacht hat, die eine Übernahme dieser Kosten ausnahmsweise gebietet und bei den Leistungsbewilligungen in den vergangenen Bewilligungszeiträumen stets rügelos lediglich Zinsleistungen als Unterkunftskosten anerkannt wurden.

3. Einzelfall zur Zulassung einer Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren.

 

Tenor

Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Berufung in den Urteilen des Sozialgerichts Dessau-Roßlau von 9. März 2011 (S 4 AS 393/08 und S 4 AS 394/08) werden zurückgewiesen.

Kosten sind in beiden Verfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich in den vorliegenden Verfahren gegen die Nichtzulassung der Berufung in zwei Urteilen des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. März 2011, das seine Anfechtungsklagen gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten zurückgewiesen hat.

Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern ein Eigenheim, für das sie neben den Betriebskosten und Heizkosten Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen haben. Die Familie bezieht als Bedarfgemeinschaft vom Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). So bewilligte ihnen der Beklagte für die Monate März bis August 2006 mit Bescheid vom 7. Februar 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Mai 2006 Leistungen nach dem SGB II, mit Bescheid vom 11. August 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. August 2006 Leistungen für die Monate September 2006 bis Februar 2007. Der Beklagte berücksichtigte neben dem Regelbedarf sowie dem ihm bekannten Einkommen auch die Kosten für Unterkunft und Heizung in der vom Kläger angegebenen Höhe. Dabei übernahm er die im Rahmen der Kreditfinanzierung zu zahlenden Schuldzinsen in voller Höhe, die Tilgungsraten dagegen nicht. Einwände erhoben der Kläger und seine Familie dagegen nicht.

Der Kläger war in der Zeit vom 8. Juni bis 13. Juli 2006 bei der Fa. Z. Baugesellschaft mbH tätig. In dieser Zeit bezog er Arbeitsentgelt, im Anschluss an das Arbeitsverhältnis für zwei Tage Krankengeld. Im März 2006 erhielten der Kläger und seine Ehefrau eine Eigenheimzulage in Höhe von insgesamt 3.165 EUR ausgezahlt. Ab 31. August 2006 nahm diese an einer Umschulung teil und bezog Übergangsgeld. Vom 11. bis 22. September 2006 war der Kläger beschäftigt bei der Fa. R. Gerüstbau.

Mit einem an den Kläger gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22. Februar 2007 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Bedarfsgemeinschaft teilweise für die Monate März bis August 2006, mit weiterem Bescheid vom 22. Februar 2007 teilweise für den Monat September 2006 wegen erzielten Einkommens auf. Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein, woraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 13. Dezember 2007 die Aufhebung und Erstattung ihm gegenüber für den Monat September 2006 auf 300,24 EUR und mit Bescheid vom 10. Januar 2008 für die Monate März bis August 2006 auf 706,21 EUR reduzierte. Mit Widerspruchsbescheiden jeweils vom 11. Januar 2008 wies er die Widersprüche des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück. Der Kläger hat am 15. Februar 2008 gegen die o.g. Aufhebungs- und Erstattungsbescheide je eine Klage beim Sozialgericht erhoben. Die Rückforderungsbescheide genügten nicht den Begründungsanforderungen des § 35 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Eine konkrete Berechnung sei erst im Widerspruchsbescheid erfolgt. Zudem sei die Jahresfrist zur Geltendmachung der Rückforderung verstrichen. Schließlich sie die Berechnung des Beklagten fehlerhaft; eine Erhaltungspauschale für das selbst genutzte Eigenheim sei nicht berücksichtigt worden. In einem am 8. Juli 2009 durchgeführten Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Kläger angegeben, die Eigenheimzulage - soweit sie nicht der Schuldentilgung diente - für den Ausbau und die Instandsetzung des Hauses verwendet zu haben. Er hat im weiteren Verlauf des Verfahrens Quitt...

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