Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten für ein behindertes Kind in einer integrativen Kindertagesstätte durch den Sozialhilfeträger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Eingliederungshilfe für einen behinderungsbedingten Mehrbedarf zur Teilhabe an der Gemeinschaft i. S. von § 55 SGB 9 richtet sich nach den §§ 53, 54 SGB 12. Dazu gehört die Erbringung zusätzlicher Leistungen bei der Kostenübernahme für die Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte. Der Anspruch setzt den Nachweis der tatsächlichen Leistungserbringung voraus.

2. Hierzu hat der Antragsteller die tatsächliche Personal- und Betreuungssituation darzulegen und nachzuweisen. Hat die Einrichtung den Betreuungsvertrag für den maßgeblichen Bewilligungszeitraum gekündigt, so ist sie nicht verpflichtet, Personal gesondert vorzuhalten. Die Entstehung von Kosten über die bereits im abgelaufenen Bewilligungszeitraum entstandenen Kosten hinaus ist damit ausgeschlossen.

3. Beim Fehlen einer vertraglichen Grundlage für die Sicherstellung der tatsächlichen Betreuung des Antragstellers kann das Gericht eine fehlende zivilrechtliche Basis der Betreuung nicht durch eigene Entscheidung ersetzen. Für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auf Vorrat für eine gfs. dann erfolgende tatsächliche Umsetzung im Rahmen eines noch zu schließenden Betreuungsvertrages ist kein Raum.

 

Normenkette

SGB XII §§ 53-54; SGB IX § 55; SGG § 86b Abs. 2

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners (Ag.) zur Übernahme der Kosten für ihre Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte.

Bei der am ... 2006 geborenen Ast. entwickelte sich nach ihrer Geburt im achten Monat eine kombinierte Entwicklungsstörung (ICD-10 F83). Nach der von Dipl.-Med. H. erstellten amtsärztlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen für die Eingliederungshilfeleistungen nach den §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) vom 14. April 2009 sei die Ast. im Regelkindergarten, den sie seit ihrem "1 ½-sten Lebensjahr" besuchte, aufgefallen; es sei von dort der Hinweis zur Frühförderung erteilt worden. Bei der amtsärztlichen Untersuchung seien insbesondere ein starker Nystagmus (Wackelbewegungen der Augen) und eine starke Verlangsamung erkennbar gewesen. Es bestehe kognitiv und motorisch ein deutlicher Rückstand von sechs bis zwölf Monaten; eine geistige Behinderung drohe. Erforderlich sei die Aufnahme in einen integrativen Kindergarten mit heilpädagogischer Fördermöglichkeit. Aus dem Arztbericht des Sozialpädiatrischen Zentrums des Kinderzentrums M. vom 29. Juni 2009 gehen (bei dem damaligen Alter der Ast. von 30 Monaten) im Vergleich zum Altersmedian folgende nach Monaten angegebene Entwicklungsrückstände hervor: Laufalter und Handgeschicklichkeit sechs Monate, Perzeption acht Monate, Sprechalter sieben Monate, Sprachverständnis 13 Monate, Sozialalter zehn Monate, Selbstständigkeit sechs Monate. Die bereits beantragte Frühförderung solle im Juli 2009 beginnen und sei aus Sicht der Einrichtung dringend erforderlich. Nach einem angemessenen Frühförderzeitraum sollte dann über die Notwendigkeit der Aufnahme der Ast. in einen integrativen Kindergarten entschieden werden.

Die Arbeiterwohlfahrt als Einrichtungsträger der integrativen Kindertagesstätte "W." in O. übersandte dem Landkreis B. (im Folgenden: Landkreis) als Anlage zu seinem Schreiben vom 8. September 2009 den Antrag der Ast. auf Aufnahme in diese Einrichtung ab dem 1. September 2009 unter Gewährung von Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz (KiFöG) vom 5. März 2003, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Februar 2010 (GVBl. LSA S. 69)). Erforderlich seien die heilpädagogische Betreuung in einer Kleingruppe und die Sprachheilerziehung. Der Landkreis gab unter dem 27. Oktober 2009 ein schriftliches Anerkenntnis im Namen des Ag. für die Kosten des Aufenthaltes der Ast. in der Kindertagesstätte "W." für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2011 - mit einem Monatssatz in Höhe von 974,19 EUR bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, nachfolgend in Höhe von 898,58 EUR - ab.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 teilte der Landkreis dem Einrichtungsträger mit, dass um Vorlage eines Entwicklungsberichtes bis zum ... 2011 gebeten werde, sofern eine Verlängerung der Hilfe notwendig werden sollte. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem Ende des Bewilligungszeitraumes keine Kosten (Vergütung) mehr übernommen würden. Der Einrichtungsträger beantragte unter dem 28. Januar 2010 bei dem Landkreis die Finanzierung des ...

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