Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtsbescheid. Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Entscheidung des SG über Zulässigkeit oder Statthaftigkeit. Entscheidungsform des LSG bei Beschwerde gegen vorausgehenden Beschluss
Leitsatz (amtlich)
1. Über die Zulässigkeit oder die Statthaftigkeit eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 105 Abs 2 S 2 SGG hat das Sozialgericht durch Urteil und nicht durch Beschluss zu entscheiden.
2. Entscheidet das Sozialgericht über einen solchen Antrag durch Beschluss, hat das Landessozialgericht über die dagegen gerichtete Beschwerde ebenfalls durch Beschluss und nicht durch Urteil zu entscheiden.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. März 2021 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Der Beklagte und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verwerfung seines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Erlass eines Gerichtsbescheids als unzulässig.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 23. Mai 2020 vorläufige Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2020 i.H.v. 1.660,60 €/Monat bis 1.691,35 €/Monat. Ein Einkommen des Klägers zu 1. aus dessen selbstständiger Tätigkeit rechnete er nicht an; dieser hatte bei der Antragstellung mitgeteilt, sein Gewerbe ruhe derzeit.
In dem dagegen gerichteten, nicht begründeten Widerspruch beantragten die anwaltlich vertretenen Kläger die endgültige Festsetzung der Leistungen nach § 41 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 SGB II.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2020 zurück. Die auf telefonische Nachfrage vom Prozessbevollmächtigten der Kläger allein beanstandete Schülerbeihilfe nach § 28 SGB II sei bereits bewilligt worden.
Dagegen haben die Kläger am 16. September 2020 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Sie haben beantragt, ihnen höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen, hilfsweise die notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens zu erstatten. Der Grund für die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung sei nicht angegeben worden. Ausführungen über die Höhe der ihnen zustehenden Leistungen hat die Klageschrift nicht enthalten. Unter den 30. September 2020 haben die Kläger klargestellt, dass sie nur die Rechtswidrigkeit des vorläufigen Bescheids rügen.
Zwischenzeitlich hat der Beklagte mit von den Klägern nicht beanstandetem Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2020 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 2020 vorläufig nur noch 1.412,60 €/Monat (= -188 €/Monat) bewilligt und dabei ein Einkommen des Klägers zu 1. i.H.v. 300 €/Monat angerechnet. Eine Mitteilung an das Sozialgericht ist nicht erfolgt.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2020 verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2020 die Leistungen für die Kläger im Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2020 endgültig festzusetzen. Zu Unrecht habe der Beklagte diese nur vorläufig festgesetzt. Der Höhe nach seien die Bescheide nicht zu beanstanden. Über den Hilfsantrag sei nicht zu entscheiden gewesen. Die Berufung sei zulässig. Es sei nicht feststellbar, dass die Kläger mit ihrem Antrag auf höhere Leistungen und hilfsweise der Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens eine Summe von weniger als 750 € begehrten.
Der Beklagte hat am 29. Dezember 2020 gemäß § 105 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Die vorläufige Bewilligung sei zu Recht erfolgt. Durch die Verpflichtung zur endgültigen Festsetzung der vorläufigen Leistungen sei die Berufungssumme von 750 € nicht erreicht. Der Hilfsantrag sei dabei nicht zu berücksichtigen gewesen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 15. März 2021 den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen. Diese habe nach § 105 Abs. 2 SGG nicht zulässig beantragt werden können. Vielmehr sei hier ausschließlich das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Als Beschwer sei die gesamte zunächst vorläufig bewilligte Summe der einzelnen Monate anzusehen.
Dagegen hat der Beklagte am 6. April 2021 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Der Beschwerdewert von mehr als 750 € werde hier nicht erreicht. Sein Begehren richte sich auf die Feststellung, dass die bewilligten Leistungen lediglich vorläufiger Natur gewesen seien. Es ergebe sich keine höhere Leistungsbewilligung. Der Hilfsantrag sei zur Bestimmung des Beschwerdegegenstands auch nicht zu berücksichtigen. Ein Anspruch auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens bestünde aber auch nur i.H.v. 406 €. Das Sozialgericht hätte auch durch Urteil über die Frage entscheiden müssen, ob der Antrag auf mündliche Verhandlung nach Erlass des Gerichtsbescheids zulässig ist (Hinweis auf Rechtsprechung...