Verfahrensgang
SG Dortmund (Entscheidung vom 06.12.2023; Aktenzeichen S 5 AS 2308/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 06.12.2023 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Sozialgericht den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgelehnt hat.
Mit Bescheid vom 23.05.2022 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.06.2022 bis zum 30.11.2022 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.06.2022 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass der Bescheid insoweit rechts- und verfassungswidrig sei als die Regelbedarfe für das Jahr 2022 das grundrechtliche Existenzminimum unterschritten. Die Fortschreibung der Regelbedarfe für das Jahr 2022 mit einer Veränderungsrate von 0,76 % sei offensichtlich zu niedrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2022 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 23.08.2022 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 23.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2022 insoweit aufzuheben und abzuändern, als der Klägerin Regelleistungen nicht in verfassungskonformer Weise mit einem Mischindex in Höhe von 4 % zum 01.01.2022 fortgeschrieben worden sind. Zur Begründung hat sie ergänzend ausgeführt, dass der Gesetzgeber die ab Sommer 2022 einsetzende Inflation nicht ausreichend berücksichtigt habe. Der niedrigen Regelbedarfsanpassung von 0,76 % stehe eine Inflationsrate von 3,1 % im Jahresdurchschnitt gegenüber. Es ergebe sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung. Um die Grenzen des eng gefassten verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht zu unterschreiten, müsse die Diskrepanz durch eine realitätsgerechte Fortschreibung des Regelbedarfs geschlossen werden. Ergänzend hat die Klägerin auf die Studie "Ermittlung eines angemessenen Inflationsausgleichs 2021 und 2022 für Grundsicherungsbeziehende, Expertise im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes, von U. vom 25.11.2022 (aktualisiert am 22.03.2023) verwiesen und vorgetragen, dass diese Studie ein monatliches Bruttodefizit in der Deckung des soziokulturellen Existenzminimums in Höhe von 47,89 Euro festgestellt habe. Auch unter Berücksichtigung der im Sommer 2022 erfolgten Einmalzahlung von 200,00 Euro gemäߧ 73 SGB II verbleibe es bei einer erheblichen Leistungslücke.
Mit Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 02.11.2023 hat das Sozialgericht die Klage (nach Anhörung der Beteiligten mit Verfügung vom 19.10.2023) abgewiesen. Die Klägerin sei durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, da sie keinen Anspruch auf die begehrten höheren Regelsatzleistungen habe. Die allein streitige Bemessung der Regelsätze für 2022 entspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dem Gesetzgeber stehe bei der Ausgestaltung der Leistungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die verfassungsrechtliche Kontrolle bei der Prüfung der Höhe des Regelsatzes beschränke sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Dies sei für 2022 nicht der Fall. Jedenfalls unter Berücksichtigung des von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Entlastungspakets 2022 mit der damit erfolgten Einmalzahlung in Höhe von 200,00 Euro seien die festgesetzten Regelleistungen nicht evident unzureichend und anhand des gewählten Berechnungsverfahrens rechtlich nicht zu beanstanden. Der Gerichtsbescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass dieser mit der Berufung angefochten werden kann.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 16.11.2023 zugestellten Gerichtsbescheid am 20.11.2023 einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Auf den Hinweis des Sozialgerichts vom 23.11.2023, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht möglich sei, da das erstinstanzliche Verfahren durch berufungsfähigen Gerichtsbescheid erledigt worden sei, hat die Klägerin erwidert, dass der Rechtsstreit durch Erlass des Gerichtsbescheids nicht beendet sei. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung habe die Beschwer 750,00 Euro nicht erreicht.
Mit Beschluss vom 06.12.2023 hat das Sozialgericht den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgelehnt. Der Antrag sei unstatthaft, denn der Gerichtsbescheid könne mit der Berufung angefochten werden. Der Antrag sei unbeziffert gewesen und bei einer Schätzung nach § 202 SGG i.V.m. § 3 Zivilprozessordnung (ZPO) sei nach dem Meistbegünstigungsprinzip davon auszugehen, dass sämtliche nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen geltend gemacht würden. Sei der Beschwerdewert nicht zu klären, gehe dies zu Lasten des Berufungsführers. Lasse sich nicht eindeutig feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung erfüllt seien, mü...