Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Rentenantragstellung. Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Vollendung des 58. Lebensjahres nach dem 1.1.2008. Vollendung des 63. Lebensjahres. Vermeidung unbilliger Härten. Ermessensausübung. Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Leitsatz (amtlich)
Die Aufforderung des Leistungsträgers gem § 12a SGB 2, vorzeitig eine geminderte Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn der Auszahlungsbetrag der geminderten Altersrente über dem SGB 2-Bedarf liegt und Anhaltspunkte für eine besondere Härte nicht ersichtlich sind.
Normenkette
SGB II § 5 Abs. 3 S. 1, §§ 12a, 39 Nr. 3, § 65 Abs. 4; SGG § 86b Abs. 1 Nr. 2
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. August 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin und Antragstellerin (im Folgenden: Antragstellerin) erstrebt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage sowie die Verpflichtung des Beschwerdegegners und Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner), die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) weiter zu gewähren.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin bezieht mit ihrem Ehemann laufende Leistungen nach SGB II. Nach einem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2014 gewährte der Antragsgegner einen monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 863,67 EUR (Antragstellerin: 353,00 EUR Regelbedarf; 78,83 EUR Kosten der Unterkunft [KdU]; Ehemann: 353,00 EUR Regelbedarf; 78,84 KdU). Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass sie verpflichtet sei, einen Antrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine geminderte Altersrente beziehen könne und das 63. Lebensjahr vollendet habe. Hierzu habe sie eine aussagekräftige Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers dem Antragsgegner vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nach und legte eine Rentenauskunft der D. R. B. vom 3. April 2014 vor. Hiernach betrage ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung 876,37 EUR, wenn von einem Leistungsfall am 3. April 2014 ausgegangen werden würde. Die Regelaltersrente würde nach Erreichen der Regelaltersrente 872,29 EUR ausmachen, wenn der bis zum 30. Juni 2014 maßgebende Rentenwert zugrunde gelegt werden würde. Die Regelaltersrente werde am 28. August 2016 erreicht und führe - ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen - voraussichtlich zu einer Rente von 892,03 EUR. Bei einem Anpassungssatz von einem Prozent wäre dagegen eine Regelaltersrente von ca. 910 EUR zu erwarten.
Nach einem Beratungsvermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Februar 2014 bestehen bei der Antragstellerin gesundheitliche Einschränkungen. Wegen des Alters sowie einer Langzeitarbeitslosigkeit sei die Integration erschwert. Am selben Tag schloss die Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich der Antragsgegner bis zum 12. August 2014 u.a. Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten sowie Kosten für Bewerbungsaktivitäten zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11. April 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Altersrente bei der D. R. zu beantragen. Der Anspruch auf geminderte Altersrente könne den Anspruch nach dem SGB II verringern oder ganz ausschließen. Hierbei handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Die gesundheitlichen Einschränkungen und die bisher erfolglosen Bemühungen um eine Beschäftigungsaufnahme sprächen für die Inanspruchnahme der geminderten Altersrente. Dagegen erhob die Antragstellerin am 28. April 2014 Widerspruch und machte geltend: Das Ermessen sei nicht hinreichend ausgeübt worden. Die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen bei ihr lägen nicht vor und beruhten auf einem Irrtum. Auch die Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann sei im Rahmen der Entscheidung nicht zutreffend gewürdigt worden. Es sei prognostisch nicht absehbar, ob eine frühere Altersrente zu einer Sozialhilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft führen werde. Die Inanspruchnahme einer Rente zum jetzigen Zeitpunkt führe zu einer unbilligen Härte.
Dagegen hatte die Antragstellerin ein einstweiliges Rechtschutzverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingeleitet. In einem Verwaltungsvermerk des Antragsgegner vom 30. April 2014 wurde ausgeführt: Der Bescheid vom 11. April 2014 sei ganz aufzuheben, da die Ermessenserwägungen fehlerhaft seien. Dem angegriffenen Bescheid fehle die individuelle Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Antragstellerin. Überdies bestehe eine noch gültige Eingliederungsvereinbarung, was für eine Vermittlungsaussicht spreche. Mit Abhilfebescheid vom 12. Mai 2014 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 11. April 2014 auf.
Am 15. April 2014 beantragte die Antragstellerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 bewilligte der Antragsgegner der ...