Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Beitragspflicht von pauschalen Fahrtkostenerstattungen an Teilnehmer einer Eingliederungsmaßnahme. Aufwandspauschale. sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Pauschale Fahrtkostenerstattungen sind, auch wenn sie als Aufwandspauschale von einem zur Durchführung einer Eingliederungsmaßnahme eingeschalteten privaten Dritten erbracht werden, nicht steuerfrei und damit beitragspflichtig in der Sozialversicherung.
2. Im einstweiligen Rechtsschutz wird bei der Festlegung des Streitwerts ein Viertel der streitigen Beitragsforderung zugrunde gelegt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2009 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Dem Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 4.974,85 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen für von der Antragstellerin geleistete pauschale Fahrtkostenerstattungen.
Die Antragstellerin, im Folgenden Ast., ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Gesellschaftsanteile zu 54 Prozent von einer Druckerei GmbH und zu 46 Prozent von dem eingetragenen Verein Europäisches Bildungswerk für Berufe und Gesellschaft (EBG e.V.) gehalten werden. Der beigeladene Eigenbetrieb für Arbeit führt als kommunaler Träger Aufgaben im Sinne des § 6 b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) im Landkreis Saalekreis durch. Da für die in diesem Landkreis von dem Beigeladenen zu betreuenden ca. 16.000 Hilfebedürftigen von der zuständigen Agentur für Arbeit nur ca. 10.000 aktuelle Bewerberprofile übergeben wurden, initiierte der Beigeladene das Projekt “Chance„ mit dem Ziel, für ca. 3.000 Teilnehmer ab dem 1. August 2005 eine aktive Betreuung bei der Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie den Abbau von Vermittlungshemmnissen zu erreichen. Zu diesem Ziel sollten u.a. Praktika der Teilnehmer beitragen. Die Teilnehmer waren erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Unter Berücksichtigung des mit dem vorhandenen Personal kaum zu bewältigenden Verwaltungsaufwandes der Bearbeitung von Einzelanträgen der Teilnehmer auf Erstattung von Fahrtkosten zum Träger bzw. Praktikumsplatz oder Vorstellungsgespräch sowie Bewerbungskosten sollten nach dem Willen der Initiatoren des Projekts hierfür pauschale Beträge in Höhe von 75,00 € bzw. 150,00 € in der Vermittlungsrichtlinie des Beigeladenen verankert und an den Teilnehmer ausgezahlt werden.
Der Beigeladene schloss mit dem Minderheitsgesellschafter der GmbH, dem EBG e.V., unter dem 1. August 2005 eine “Öffentlich-Rechtliche Vereinbarung über die Durchführung des Sonderprojekts Chance„. Nach § 1 Satz 2 dieser Vereinbarung sollten die Teilnehmer personenbezogen durch Verwaltungsakt dem Projekt zugewiesen werden, von dem EBG e.V. in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingestellt und durch die Vermittlung in Betriebspraktika unterstützt werden. In § 4 “Förderung„ wird eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Zahlung eines monatlichen Lohnkostenzuschusses für jeden durch Bewilligungsbescheid zugewiesenen Arbeitnehmer in Höhe von 740,00 € zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für den Arbeitgeberanteil sowie einer Verwaltungspauschale in Höhe von 100,00 € geregelt. Für die Voraussetzungen und die Durchführung der Vereinbarung verwiesen die Parteien auf die Richtlinie 1.1. über die “Förderung von Alg II-Empfängern„ und die Richtlinie 1.2. über die “Zusammenarbeit mit Maßnahmeträgern„. Die Richtlinie 1.1. enthält unter Ziffer 3. “Gegenstand der Förderung„ folgende Regelungen:
3.1. Der Eigenbetrieb für Arbeit fördert auf Grund einer personenbezogenen Zuweisung zu einem Maßnahmeträger die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses durch die Gewährung eines Lohnkostenzuschusses an diesen.
3.2. Zuzüglich zum Lohn erhält der Teilnehmer über den Maßnahmeträger einen pauschalen steuerfreien Zuschuss in Höhe von 75,00 € entsprechend der Rahmenrichtlinie über Vermittlungsleistungen des Eigenbetriebes für Arbeit. Dieser Betrag wird in vollen Monaten nach Abrechnung durch den Träger gewährt, in Teilmonaten erfolgt die Abrechnung in Höhe von 2,50 € pro Kalendertag. Wird der Teilnehmer in ein Inlands-Praktikum bei einem Arbeitgeber vermittelt oder verliehen und beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als 10 km, so wird eine monatliche Pauschale in Höhe von 150,00 € gewährt, anteilig pro Kalendertag 5,00 €.
Hierdurch sind alle Ansprüche auf Unterstützungsleistungen für die Vermittlung abgegolten. (Fahrtkosten, Bewerbungskosten etc.) Der Nachweis für die Voraussetzungen der Leistung des pauschalen Zuschusses erbringt der Träger. Bei unentschuldigtem Fehlen und unbezahlten Fehlzeiten (Krankheit ohne Lohnfortzahlung, Kindpflege...