Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. kein Mehrbedarf wegen eines unabweisbaren laufenden besonderen Bedarfs
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Härtefallregelung kann in den Fällen, die dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB 2 unterfallen, nur als besonderer Ausnahmefall anerkannt werden. Befindet sich der Auszubildende noch im ersten Drittel seiner Ausbildungszeit, ist ein Härtefall abzulehnen.
2. Kann der Auszubildende ohne erkennbare Nachteile die Ausbildung schulgeldfrei absolvieren, liegt kein unabweisbarer Bedarf vor.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung eines erstinstanzlichen Klageverfahrens durch das Sozialgericht Dessau-Roßlau.
Die am ... 1990 geborene Klägerin begann am 5. August 2010 im Bildungszentrum D. gGmbH eine dreijährige Ausbildung zur "Staatlich anerkannten Erzieherin" und zahlte monatlich ein Schulgeld in Höhe von 148,00 EUR. Nach einem Bescheid über Ausbildungsförderung aufgrund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) bewilligte der Landkreis W. der Klägerin BAföG-Leistungen in Höhe von 273,00 monatlich, wobei wegen der Einkünfte des Vaters der Klägerin 299,11 EUR monatlich als Einkommen/Vermögen angerechnet worden sind.
Am 15. Juni 2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) und machte geltend: Sie sei schwanger und sehe der Entbindung am 30. November 2011 entgegen. Nach der beigefügten Anlage der Kosten für Unterkunft bewohnte sie zu dieser Zeit im Haus ihrer Großmutter eine 44 m² große Wohnung. Hierfür zahlte sie monatlich eine Miete in Höhe von 224,00 EUR (darin enthalten waren ausweislich der Mietbescheinigung Kosten für die Heizung in Höhe von 50 EUR sowie Kosten für Wasser/Abwasser in Höhe von 20 EUR). In einer Erklärung der Eltern der Klägerin vom 15. Juni 2011 findet sich folgender Wortlaut:
"Erklärung
Wir die Eltern von A. S. zahlen für unsere Tochter monatlich 148,00 EUR Schulgeld, damit sie ihre Ausbildung als Erzieherin machen kann.
Desweiteren bezahlen wir einen Teil der Miete für ihre Wohnung in V. in Höhe von 100,00 EUR."
Am 16. Juni 2011 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Erstausstattung mit Mobiliar bei Geburt eines Kindes sowie auf Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt. Mit Bescheid vom 19. August 2011 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag ab: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen, weil sie sich in der Ausbildung befinde. Diese sei im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig. Gegen die Leistungsablehnung legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Die BAföG-Leistungen bezögen sich nur auf den ausbildungsbedingten Bedarf. Überdies habe sie einen Anspruch auf Mehrbedarfszuschläge und einmalige Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt.
Am 1. September 2011 beantragte die Klägerin einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (KdU) für Auszubildende und legte einen Mietvertrag vom 30. Dezember 2010 über die Wohnung im Haus der Großmutter I. W. 13, V. vor (Grundmiete: 154,00; Betriebskosten: 70,00 EUR).
Mit Bescheid vom 8. September 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Erstausstattung einen Betrag von 336,10 EUR. Ferner gab er an, einen Teil ihres Bedarfs könne die Klägerin aus eigenen Mitteln decken. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Bedarfen für Unterkunft und Heizung ab, da der Nachweis über die tatsächliche Zahlung der Miete einschließlich der vereinbarten Nebenkostenabschläge nicht vorgelegt worden sei. Gegen beide Bescheide richteten sich die Widersprüche der Klägerin vom 9. September 2011 und vom 7. Oktober 2011, mit denen sie geltend machte: Ihre Ausbildung führe nicht zu einem vollständigen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II. Wegen ihrer Schwangerschaft bestehe ein Anspruch auf Mehrbedarf. Auch habe sie einen Anspruch auf Erstattung des monatlichen Schulgeldes gemäß §§ 28 ff SGB II. Dieser Bedarf werde durch das BAföG nicht abgedeckt. Sie verfüge nur über ein Einkommen in Höhe von 457,00 EUR/Monat (273,00 EUR BAföG-Leistungen und Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR). Dies reiche nicht, um die KdU und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Einmalige Beihilfen seien deswegen in größerem Umfang zu bewilligen.
Mit Abhilfebescheiden vom 16. November 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2011 einen Zuschuss zu den angemessenen KdU in Höhe von 124,00 EUR pro Monat, einen Mehrbedarf für Schwangerschaft in Höhe von 28,93 EUR für Mai 2011 und in Höhe von 62,00 EUR pro Monat ab 1. Juni bis 31. Oktober 2011 sowie eine Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt in Höhe von 739,90 E...