Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung. Eingliederungshilfe. Tagesstätte. Alkoholabhängigkeit. Anforderungen an die Geeignetheit einer beantragten Eingliederungsmaßnahme
Leitsatz (redaktionell)
Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII besteht nicht, wenn die in Aussicht genommene Maßnahme nicht geeignet ist, die Folgen einer Behinderung wenigstens auf dem bisherigen Stand zu halten.
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung einer Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB 12 setzt u. a. voraus, dass die begehrte Maßnahme zumindest geeignet sein muss, den bislang erreichten gesundheitlichen Stand zu halten bzw. eine weitere Verschlimmerung der Behinderungsfolgen zu verhindern. Nur dann kann eine begehrte Maßnahme geeignet sein, das Ziel der Eingliederungshilfe zu erreichen und eine Kostenübernahme erfolgen.
2. Eine Maßnahme ist dann ungeeignet, wenn die begehrte Betreuungsform nicht ausreichend ist, um den Betreuungsbedarf des Antragstellers abzudecken.
3. Benötigt der Antragsteller aufgrund einer langjährigen Alkoholabhängigkeit weiterhin direkte Hilfestellungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens, weil dessen psychosoziale Probleme fortbestehen, sind wiederholt Rückfälle aufgetreten und ist in der von ihm gewählten Tagesstätte für seelisch behinderte Menschen eine teilstationäre Betreuung lediglich sechs Stunden an Werktagen gewährleistet, so ist eine solche Betreuung nicht ausreichend, um den Betreuungsbedarf in ausreichendem Maß zu decken.
4. In einem solchen Fall ist die begehrte Hilfe nicht ausreichend, um den Hilfebedarf des Antragstellers zu decken und damit ungeeignet zur angestrebten Eingliederung. Eine Kostenübernahme im Wege der Eingliederungshilfe ist damit ausgeschlossen.
Normenkette
SGB IX § 2 Abs. 2; SGB XII § 53 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 54; SGG § 86b Abs. 2; ZPO § 920 Abs. 2
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für den Besuch der Tagesstätte für seelisch behinderte Menschen infolge Sucht "Grüne Rose" in Weißenfels als Eingliederungshilfeleistung nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die am geborene Antragstellerin absolvierte die 7-klassige Polytechnische Oberschule, erwarb den Abschluss Teilfacharbeiterin und arbeitete als Näherin. Sie stand im Zeitraum vom 27. März bis zum 27. September 2007 und steht seit dem 26. Februar 2008 erneut unter Betreuung. Seit dem 1. April 2007 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie ist seit dem 15. Oktober 2007 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen B und G anerkannt. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte, den sie im Sommer 1998 während einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung kennen lernte, sind alkoholkrank. Seit Dezember 1998 lebten die beiden in einer 51 qm großen Wohnung in der O.-N.-Str. in H ...
Vom 14. August 2001 bis zum 7. September 2001 wurde die Antragstellerin im Saale-Unstrut Klinikum N. stationär und teilstationär psychiatrisch behandelt. Vom 25. März bis 24. Juni 2003 erfolgte eine medizinische Rehabilitation in der Fachklinik K ... Bei einem Hausbesuch am 15. Januar 2007 fanden eine Suchtberaterin des DRK W. und eine Mitarbeiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes H. die Antragstellerin in einem stark reduzierten Allgemeinzustand vor und veranlassten eine Notfalleinweisung in das Saale-Unstrut Klinikum N., wo die Antragstellerin vom 19. Januar bis zum 29. April 2007 stationär behandelt wurde.
Nach dem ärztlichen Befundbericht des Saale-Unstrut Klinikums N. vom 12. April 2007 bestehen bei der Antragstellerin folgende Erkrankungen:
- Alkoholabhängigkeit,
- amnestisches Syndrom (Korsakow-Syndrom),
- Nebenbefunde: alkoholische Fettleber, alkoholinduzierte Pankreatitis, gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Kachexie, Z. n. nach Operation eines gutartigen Tumors des linken Ovars, Z. n. Anämie und Mangel des Vitamin B-Komplexes. Bei der stationären Aufnahme sei die Antragstellerin in einem ausgezehrten Ernährungszustand (BMI 13,6) und deutlich reduzierten Allgemein- und Kräftezustand gewesen. Das Gewicht habe 39,6 kg bei 170 cm Körpergröße betragen. Es hätten erhebliche kognitive Defizite bestanden, insbesondere Merkfähigkeitsstörungen, Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses sowie Zeitgitterstörungen, die sich im Behandlungsverlauf nur wenig gebessert hätten. Die testpsychologische Untersuchung habe ein amnestisches Syndrom ergeben. Die Fähigkeit zum schlussfolgernden Denken liege an der Grenze zum Bereich der Lernbehinderung. Die Antragstellerin sei auch im Stationsalltag auf Hilfestellung durch Personal und Mitpatienten angewiesen gewesen, um sich in den strukturierten Tagesablauf zu integrieren. Sie sei nicht in der Lage, ausreichend für sich selbst zu sorgen, weshalb bereits während der Behandlung eine Be-treuung ang...