Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Beschwerde. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis. Erlass einer bindenden Neuregelung statt eines vorläufigen Ausführungsbescheides nach erstinstanzlichem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis des Leistungsträgers für eine Beschwerde gegen einen zur vorläufigen Leistung verpflichtenden Beschluss des Sozialgerichts fehlt, wenn der Leistungsträger in Ausführung des Beschlusses einen neuen Bewilligungsbescheid erteilt hat, der abschließend entscheidet und keinen Vorbehalt enthält.
2. Die Auslegung von Bescheiden ist gem § 133 BGB unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines objektiven Adressaten vorzunehmen. Auszugehen ist vom Wortlaut des Verfügungssatzes, ggf unter Zuhilfenahme der Begründung des Bescheids sowie der Gesamtumstände. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Unerheblich ist, ob der Sozialleistungsträger den Bescheid so gemeint hat.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das ihn im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Bewilligung eines Darlehens nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) verpflichtet hat.
Die Antragsteller und Beschwerdegegner beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit 2008 laufend Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsteller zu 1. und 2. üben eine selbstständige Tätigkeit aus. Der Antragsteller zu 2. ist Eigentümer mehrerer vermieteter Immobilien. Der Antragsgegner bewilligte für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. März 2011 darlehensweise Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1.225,50 EUR/Monat.
Nachdem ihr Weiterzahlungsantrag zunächst nicht beschieden wurde, haben die Antragsteller am 11. April 2011 bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau einstweiligen Rechtsschutz für die Zeit ab dem 1. April 2011 beantragt. Der Antragsgegner hat im Erörterungstermin am 13. Mai 2011 ein vorläufiges Darlehen i.H.v. 647,86 EUR/Monat ab 1. April 2011 zugesichert. Nach Vorlage weiterer Unterlagen der Antragsteller hat er mit Bescheid vom 8. Juni 2011 für die Monate April und Mai 2011 ein Darlehen i.H.v. insgesamt 1.295,72 EUR bewilligt. Mit weiterem Bescheid vom 8. Juni 2006 ist den Antragstellern ein Vorschuss i.H.v. 413,36 EUR bewilligt worden. Mit Bescheid vom 4. Juli 2011 hat der Antragsgegner für den Monat Juli 2011 wiederum ein Darlehen i.H.v. 647,86 EUR bewilligt.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 7. Juli 2011 verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für den Zeitraum vom 11. April bis 30. September 2011, längstens jedoch bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens, monatlich 1.006,84 EUR als Darlehen zu gewähren, soweit nicht Leistungen bereits erbracht worden sind. Für die Zeit vor dem 11. April 2011 sowie für die begehrte Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung hat das Sozialgericht ein Eilbedürfnis verneint. Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 13. Juli 2011 zugestellt worden.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2011 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2011 i.H.v. 1.371,67 EUR für April und i.H.v. 1.006,84 EUR plus 492,31 EUR Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung für Mai bis September 2011 bewilligt. Der Bescheid trägt die Überschrift: "hier: Darlehensbescheid - Änderung zu den Bescheiden vom 08.06.2011 und 04.07.2011." Im Anschreiben heißt es: " Sie haben nachgewiesen, dass der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von grundsätzlich zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für Sie eine besondere Härte bedeuten würde, so dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen gewährt werden können.
Aufgrund ihres Antrages vom 01.04.2011 bewillige ich gemäß § 24 Abs. 5 SGB II die beantragten Leistungen für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.09.2011 in der nachstehenden Höhe als Darlehen:"
Es folgen die Berechnungen für die einzelnen Monate. Die Rechtsbehelfsbelehrung lautet: "Der Bescheid ergeht in Ausführung des Beschlusses vom 08.07.2011 - Sozialgericht Dessau-Roßlau S 19 AS 620/11 ER". Die Leistungen für August 2011 sind am 27. Juli 2011 zur Zahlung angewiesen worden.
Am 5. August 2011 hat der Antragsgegner beim Landessozialgericht Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und beantragt, diesen aufzuheben und den Antrag abzulehnen. Mit Schreiben vom 15. August 2011 hat er Ausführungen zur Sache gemacht.
Auf den rechtlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden hinsichtlich dessen Bedenken an der Zulässigkeit der Beschwerde hat der Antragsgegner weiter ausgeführt: Die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei hier nicht einschlä...