Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. mehrwöchiger Schüleraustausch nach Australien. mehrtägige Klassenfahrt iS des § 28 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 2. Einkommensberücksichtigung zur Finanzierung der Aufwendungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein mehrwöchiger Schüleraustausch mit einer australischen Schule - mit Gegenbesuch - ist in Sachsen-Anhalt einer mehrtägigen Klassenfahrt gleichgestellt. Systematisch differenziert das sachsen-anhaltinische Schulrecht, soweit es mehrtägige schulische Veranstaltungen als pädagogisch sinnvoll erkennt, nicht zwischen "Klassenfahrten" und sonstigen Veranstaltungen.

2. Die Höhe der Aufwendungen für den Schüleraustausch führt nicht dazu, dass eine Überschreitung des bundesrechtlichen Rahmens anzunehmen wäre.

3.Das Einkommen der Schülerin (Unterhalt und Kindergeld) ist zur Finanzierung der Aufwendungen einzusetzen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.02.2018; Aktenzeichen B 14 AS 49/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. August 2014 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 74,88 EUR als Kosten für den Schüleraustausch vom 16. September bis zum 6. Oktober 2012 und vom 1. bis zum 23. Februar 2013 zu zahlen. Im Übrigen werden die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 10 %. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen seine Verurteilung zur Leistung von Kosten für die Teilnahme an einem Schüleraustausch mit der C. T. H. in Sydney vom 16. September bis 6. Oktober 2012 sowie vom 1. bis 23. Februar 2013 in Höhe von 1.150,00 EUR.

Die 1997 geborene Klägerin bezog als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gemeinsam mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Austausches Schülerin der 10. Klasse an dem B.-G. W.

Mit Antrag vom 7. März 2012, zugegangen am 9. März 2012, beantragte die Mutter der Klägerin die Kostenübernahme für den Schüleraustausch nach Australien. Sie legte ein Schreiben der Schule vor, wonach die voraussichtlichen Kosten 1.670,00 EUR betragen werden und sie - die Mutter der Klägerin - bereits unter dem 22. März 2012 einen Teilbetrag von 300,00 EUR geleistet habe. Die Koordinatorin für den Schüleraustausch M. L. teilte mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1.670,00 EUR aus den Flugkosten von 1.200,00 EUR und einem Pauschalbetrag für den Aufenthalt der Schüler in A. sowie Kosten aufgrund der gemeinsamen Programmgestaltung von Gästen aus A. und Gastgebern in Deutschland zusammensetzen werden.

Am 18. April 2012 teilte die Mutter der Klägerin telefonisch mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten auf 1.900,00 EUR erhöhen würden. Die Anzahlung in Höhe von 300,00 EUR und weitere Kosten in Höhe von 800,00 EUR stellte Herr M. K. darlehnsweise zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2012 lehnte der Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit der Begründung ab, der beabsichtigte Schüleraustausch aufgrund einer Partnerschaft zwischen dem B.-G. W. und der C. T. H. sei keine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen für das Land Sachsen-Anhalt Nach Punkt 7 der Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten Runderlass des Kultusministeriums (RdErl. MK) des Landes Sachsen-Anhalt vom 13. September 2002 (Richtlinie Schulwanderungen) sei die Partnerschaft zwischen dem B.-G. W. und der C. T. H. nicht von den schulrechtlichen Bestimmungen "gedeckt". Eine Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen komme daher nicht Betracht.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 5. Juni 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 als unbegründet zurück.

Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 21. Juni 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin vom 1. April bis zum 30. September 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 3,07 EUR. Der Berechnung legte der Beklagte für den Zeitraum April bis September 2012 einen Bedarf der Klägerin von monatlich 360,81 EUR (Sozialgeld 287,00 EUR, 4,02 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, 69,79 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) zugrunde. Die Klägerin bezog im Zeitraum April bis September 2012 monatlich 356,00 EUR Unterhalt. Der Mutter der Klägerin floss in diesem Zeitraum monatlich Kindergeld für die Klägerin in Höhe von 184,00 EUR zu.

Vom 16. September bis zum 6. Oktober 2012 besuchten 22 Gastschüler aus Australien die Schule der Klägerin. Im Rahmen dieses Besuches nahm die Klägerin an Fahrten, Exkursionen, Stadtrundfahrten und -führungen teil. Dadurch entstanden Kosten in Höhe von 467,64 EUR. Auf die Aufstellung der Kosten auf Bl. 60 der Gerichtsakte wird ausdrücklich Bezug genommen.

Gegen...

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