Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Amtsermittlungspflicht bei der Entscheidung über eine beantragte Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Das Gericht ist nicht zu weiteren medizinischen Ermittlungen, insbesondere nicht zur Einholung eines ärztlichen Gutachtens nach § 106 SGG verpflichtet, wenn das Leistungsvermögen des Versicherten in einem vom Gericht veranlassten Befundbericht eines auf dem in Betracht kommenden Fachgebiet kompetenten Arztes überzeugend und nachvollziehbar beurteilt worden ist.
2. Reicht das Restleistungsvermögen des Versicherten noch aus für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel von drei Körperhaltungen und ist die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände gegeben, bestehen keine schwere Leistungsbehinderung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, so sind Rentenversicherungsträger und Gericht zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes nicht verpflichtet.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.
Die am ... 1961 geborene Klägerin durchlief nach dem Abschluss der 10. Schulklasse vom 1. September 1978 bis zum 31. Dezember 1980 eine Ausbildung zum Elektromechaniker. Sie arbeitete anschließend bis zum 26. Januar 1988 in ihrem erlernten Beruf, vom 11. bis zum 19. April 1988 als Sachbearbeiterin, vom 2. Mai 1988 bis zum 17. Februar 1989 als Vulkaniseurin und vom 6. März 1989 bis zum 30. August 1990 als Arbeiterin im Bereich der industriellen Fertigung. Die Klägerin war dann nach ihrem Umzug in die alten Bundesländer vom 17. September 1990 bis zum 30. November 1990 als Küchenhilfe, dann ab 1991 bis September 2005 als Codiererin/Auflegerin bei der D. B. AG im Frachtpostzentrum A. versicherungspflichtig tätig. Sie bezog bereits ab dem 23. Januar 2004 bis zum 19. Juni 2004 und dann - wegen erneuter Arbeitsunfähigkeit ab dem 18. November 2004 - vom 30. Dezember 2004 bis zum 18. Mai 2006 Krankengeld, vom 19. Mai 2006 bis zum 16. Mai 2007 Arbeitslosengeld und vom 17. Mai bis zum 28. Juni 2007 wieder Krankengeld. Ferner erhält die Klägerin seit 1. Oktober 2005 eine Rente der Versorgungsanstalt der D. B ...
Bei der Klägerin ist seit dem 23. Dezember 2007 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt.
Die Klägerin beantragte am 23. August 2005 bei der Landesversicherungsanstalt Oberbayern (LVA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie machte geltend, seit dem 1. November 2004 wegen eines Zustands nach Hüftoperation rechts, einer Endometriose, Neurodermitis, Polyarthrose beider Hände, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und wegen seelischer Störungen keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können. Sie habe sich seit 1985 folgenden Operationen unterziehen müssen: drei Laparotomien, drei Laparoskopien, einer Ovarektomie links, zwei Lymphknotenentfernungen am Kehlkopf, einer Brust-Operation, einer Zystenentfernung am linken Stimmband sowie am 7. Juli 2005 einer Zystenresektion an der ventralen Hüftgelenkskapsel rechts. Die LVA ließ die Fachärztin für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie, Physikalische Therapie, Naturheilverfahren Dr. B. das Gutachten vom 19. September 2005 erstatten. Anlässlich eines Verkehrsunfalls 2003 habe die Klägerin eine Halswirbelsäulen (HWS)-Verletzung mit Prellungen und einer Fraktur in den Längsbandverkalkungen bei C 5/6 und C 6/7 erlitten. Dr. B. führte als Diagnosen den Verdacht auf ein intramuskuläres Hämatom rechte Hüfte/Oberschenkel nach Operation einer ventro-medialen Synovialzyste des rechten Hüftgelenks, einen Beckenschiefstand, eine Skoliose mit rezidivierender Lumbago, eine muskuläre Dysbalance bei Zustand nach drei Laparoskopien und drei Laparotomien und eine somatoforme Schmerzstörung, Neigungen zu depressiver Verstimmung sowie eine Insomnie an. Eine Wirbelsäulenskoliose ohne Radikulopathien sei zu objektivieren gewesen. Eine Polyarthrose beider Hände und eine Epicondylitis humeri beidseits hätten nicht festgestellt werden können. Funktionseinschränkungen an den oberen und unteren Extremitäten, mit Ausnahme des rechten Hüftgelenkes aufgrund der erst vor kurzem durchgeführten Operation, seien nicht festzustellen gewesen. Die Klägerin sei in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen und im Wechsel von Stehen und Gehen ohne Überkopfarbeiten, ständiges Bücken und ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über zehn kg sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Ferner erstattete der Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie - Sozialmedizin Dr. E. auf Veranlassung der LVA das sozialmedizinische Gutachten vom 27. Oktober 2005. Die psychiatrische Anamnese sei in erster Linie von einer langjährigen seelischen Belastung während der zweiten Ehe aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches und den damit einhergehenden Konflikten m...