Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Anforderung an die Feststellung einer Berufsunfähigkeit bei Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Hat ein Betroffener trotz einer bestehenden Berufsausbildung vor Eintritt von das Leistungsvermögen mindernden Gesundheitsbeeinträchtigungen einen Beruf ausgeübt, für den er nicht ausgebildet war und der auch ohne Fachausbildung ausgeübt werden kann (hier: selbständiger Unterhaltungskünstler), so kommt bei der Beurteilung des Vorliegens einer Berufsunfähigkeit und einer daraus folgenden Erwerbsminderung keine Zuordnung zur Berufsgruppe mindestens der Angelernten des oberen Bereichs in Betracht, so dass zum Ausschluss der Berufsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer (teilweisen) Erwerbsminderung und eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente (hier: abgelehnt).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der am ... 1956 geborene Kläger absolvierte ab September 1972 eine Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter, die er nach zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen abbrach. Anschließend arbeitete er bis Ende 1997 als Glaserhelfer, Bühnenarbeiter, Lagerist, Kirchenwart, Expedient, Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit, Arzthelfer und Missionsarbeiter. Zudem absolvierte er von April 1981 bis April 1984 eine dreijährige abgeschlossene Ausbildung zum Gartenbaufacharbeiter. Vom 01. Januar 1998 bis zum 30. April 2003 war er arbeitslos. Ab 01. Mai 2003 machte er sich im Rahmen einer sogenannten Ich-AG selbständig. Dabei handelte es sich um eine künstlerische Tätigkeit (Musik, Puppenspiel usw.). Während dieser Zeit war er pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung. Seit Anfang 2009 ist er nicht mehr berufstätig.
Am 02. Februar 2009 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte veranlasste zunächst ein nervenärztliches und ein chirurgisches Gutachten. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. J. stellte in ihrem Gutachten vom 17. März 2009 auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen:
Restless Legs (unruhige Beine).
Insomnie (Schlaflosigkeit).
Akzentuierte Persönlichkeit.
Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit überwiegendem Stehen, Gehen oder Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Der Facharzt f. Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 22. April 2009 Kreuzschmerzen. Er hielt den Kläger noch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden täglich leistungsfähig. Zu vermeiden seien ständiges schweres Heben und Tragen. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 07. Mai 2009 ab, wogegen der Kläger am 04. Juni 2009 Widerspruch einlegte. Zur Begründung führte er aus, seine wesentlichen Erkrankungen seien überhaupt nicht berücksichtigt worden. Er fügte etliche medizinische Unterlagen bei, darunter eine Kurzepikrise über eine stationäre Behandlung im Fachklinikum für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie T. vom 25. bis 29. Mai 2009. Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 27. Oktober 2009 ein, dem die ausführliche Epikrise über die stationäre Behandlung vom 25. bis 29. Mai 2009 mit den Diagnosen schwere depressive Episode und Restless-Legs-Syndrom beigefügt war. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere nervenärztliche Begutachtung. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 18. Januar 2010 eine akzentuierte Persönlichkeit sowie das bekannte Restless-Legs-Syndrom. Der Kläger sei sowohl in Bezug auf seine letzte berufliche Tätigkeit als Unterhaltungskünstler als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar. Gravierende Leistungseinschränkungen bestünden nicht. Sodann wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 18. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Stendal, seit 01. November 2010 in das Sozialgericht Magdeburg (SG) eingegliedert, erhoben. Sein Hauptproblem sei seine akute und anhaltende Schlaflosigkeit bzw. das Restless-Legs-Syndrom mit der nachweisbaren Tendenz der Verschlechterung.
Das SG hat zunächst Befundberichte eingeholt. Der Hausarzt des Klägers, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S., hat in seinem Bericht vom 13. November 2010 folgende Diagnosen genannt: Insomnie, Restless-Legs-Syndrom, Allergische Reaktion (Atemwege) und Grübelzwang. Der Kläger sei aus seiner Sicht in der Lage, leichte körperl...