Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. betriebliche Voraussetzung. VEB Bau- und Montagekombinat Chemie. Betrieb Projektierung und Technologie Halle. Auslegung. Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots. Stichtagsregelung 30.6.1990. Verfassungsmäßigkeit. Zusatzversorgungssystem. Beitrittsgebiet. Neueinbeziehungsverbot. Erweiternde Auslegung. Stichtagsregelung. Gleichbehandlung. Planwirtschaft. Volkseigener Produktionsbetrieb. Massenproduktion von Sachgütern oder Bauwerken. Tätigkeitsschwerpunkt. Gleichgestellte Einrichtung. Konstruktionsbüro. Projektierung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG muss sich am Wortlaut, dem Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und der Systematik orientieren (vgl BVerfG vom 8.2.1999 - 1 BvL 25/97 = NZA 1999, 597). Unter Berücksichtigung dieser Auslegungskriterien ist eine Einbeziehung von Versicherten, die keine ausdrückliche Versorgungszusage erhalten haben, nicht möglich (Entgegen BSG vom 19.10.2010 - B 5 RS 3/09 R).
2. Weder aus Art 17 EinigVtr noch aus Art 19 EinigVtr ergibt sich eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots (so aber BSG vom 19.10.2010 - B 5 RS 3/09 R). Für Art 17 EinigVtr folgt dies bereits daraus, dass einer bloßen Absichtserklärung kein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Auch Art 19 EinigVtr enthält nach seinem Wortlaut keine Aussage zu einer Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots.
3. Die Stichtagsregelung des 30.6.1990, an der der 5. Senat des BSG ausdrücklich festhält (Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R = BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18), erscheint im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG problematisch.
4. Hinsichtlich der betrieblichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG erscheint fraglich, ob es am 30.6.1990 überhaupt noch VEB gab, die entsprechend der Vorgabe des BSG (Urteil vom 9.4.2002 - B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 6 = juris RdNr 46) organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren. Denn es ist zweifelhaft, ob es im Juni 1990 überhaupt noch eine Planwirtschaft in der DDR gab.
5. Der VEB Bau- und Montagekombinat Chemie - Betrieb Projektierung und Technologie Halle war kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2-3; EVertr Art. 17, 19; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 06. März 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellungen der Beklagten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.
Der am ... 1960 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Bauwesen B. vom Juli 1987 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur für Hochbau zu führen. Als Ingenieur war er bis zum 30. Juni 1990 beim VEB Bau- und M., Betrieb Projektierung und Technologie H. (im Folgenden: VEB BMK Chemie Betr. PT) beschäftigt. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtete der Kläger seit dem 01. April 1982. Eine schriftliche Versorgungszusage erhielt er zur Zeit der DDR nicht.
Am 03. März 2004 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2004 mit der Begründung ab, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Dagegen legte der Kläger am 06. Dezember 2004 Widerspruch ein: Er sei am 30. Juni 1990 sehr wohl in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder in einem gleichgestellten Betrieb (Konstruktionsbüro bzw. Kombinat als Vereinigung volkseigener Betriebe (VVB)) beschäftigt gewesen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. März 2005 zurück und führte ergänzend aus, die Zuordnung des VEB BMK Chemie Betr. PT in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige, dass es sich nicht um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe.
Dagegen hat der Kläger am 07. April 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Das SG hat betriebliche Unterlagen von der Beklagten angefordert und die Klage schließlich mit Urteil vom 06. März 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, beim VEB BMK Chemie Betr. PT habe es sich nicht um einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt, sondern um einen Projektierungsbetrieb. Der Betrieb sei auch nicht als gleichgestellter Betrieb anzusehen, da er w...