Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer in der DDR erlittenen Erkrankung als Impfschaden
Orientierungssatz
1. Die im Impfschadensrecht mit Wirkung vom 3. 10. 1990 geschaffene Rechtslage hat zur Folge, dass nach den Regelungen des BSeuchG bzw. IfSG von der Versorgungsverwaltung auch über Impfschäden zu entscheiden ist, die als Folgen von Impfungen in der DDR geltend gemacht werden, damals aber nicht als Impfschaden anerkannt worden sind.
2. Die Masernschutzimpfung war auch in der DDR gesetzlich vorgeschrieben. Zur Anerkennung eines Impfschadens ist u. a. erforderlich, dass das geltend gemachte Leiden mit Wahrscheinlichkeit auf einen Primärschaden in Form einer unüblichen Impfreaktion zurückzuführen ist.
3. Die Anerkennung einer nach einer Masern-Schutzimpfung als Folgeerscheinung aufgetretenen Enzephalitis setzt voraus, dass die Erkrankung innerhalb von 7 bis 14 Tagen nach der Impfung aufgetreten ist, eine Antikörperbildung nachweisbar war und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden.
4. Nach aktueller medizinischer Lehrmeinung kann eine mehr als 7 Wochen nach der ersten Impfdosis eingetretene Enzephalitis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer der drei möglichen masernimpfbedingten Enzephalitisformen in Verbindung gebracht werden.
Normenkette
IfSG § 2 Nr. 11, § 60 Abs. 1, § 61; KOVVfG § 15
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Klägers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der am ... 1986 geborene Kläger beantragte am 14. Dezember 2005 beim Beklagten die Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens und ließ vortragen, er habe am 15. April 1987 in der Kreispoliklinik S. von der Fachärztin für Kinderkrankheiten Dr. M. eine Masernschutzimpfung erhalten. Zuvor sei er in diesem Krankenhaus am 25. März 1987 wegen Fieber und einer starken Erkältung behandelt worden. Am 27. April 1987 sei er in die Behandlung der Kinderärztin Dr. W. gekommen, wo er auch Medikamente bekommen habe. Er sei dann für einige Zeit im Krankenhaus T. gewesen, wo er unter ständigem Fieber von 39 bis 40 Grad Celsius gelitten habe. Als Ursache sei zunächst an eine Bronchitis, dann an eine Lungenentzündung gedacht worden. Schließlich habe man ihn in die Kinderklinik der Medizinischen Akademie M. verlegt. Auf dem Transport im Krankenwagen sei ein anderes Kind gestorben. Für ihn habe es dann mit Krämpfen und Koma einen schlimmen Verlauf genommen. Wegen der Impfung sei er an einer Enzephalitis erkrankt. Der Schaden bestehe in einer Persönlichkeitsstörung, für die der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2006 einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt habe.
Der Beklagte zog medizinische Unterlagen bei, unter denen sich u.a. der Impfausweis des Klägers und Behandlungsunterlagen der Kinderabteilung des Krankenhauses T. über einen stationären Aufenthalt vom 23. Mai bis 9. Juni 1987 und eines weiteren Krankenhauses (vermutlich Medizinische Akademie M., Kinderklinik, H.- Straße ) über einen stationären Aufenthalt vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 befanden. Nach der Epikrise der Kinderklinik waren die Diagnosen einer Enzephalitis (Verdacht auf Herpes-Enzephalitis) und einer Pneumonie (Lungenentzündung) gestellt worden. Ab 12. Juni 1987 habe sich der Zustand des Kindes verbessert. Nachdem auch die Leberschwellung rückläufig gewesen sei, habe man das Kind am 6. Juli 1987 in völlig unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause entlassen können. Zum Entlassungszeitpunkt habe das Kind keinen geschädigten Eindruck gemacht.
Nach Auswertung dieser medizinischen Unterlagen kam der beteiligte prüfärztliche Dienst des Beklagten (Dr. R.) in seiner Stellungnahme vom 2. März 2006 zu dem Ergebnis, beim Kläger sei eine Masernimpfung vom 15. April 1987 belegt. Danach sei er ab 13. Mai 1987 wegen einer obstruktiven Bronchitis zunächst ambulant und ab 23. Mai 1987 wegen hochfieberhafter Temperaturen auch stationär im Krankenhaus T. behandelt worden. Dort seien eine Bronchopneumonie und eine Herpangina festgestellt worden. Nach Verlegung in die Kinderklinik M. sei eine Enzephalitis diagnostiziert und nach dem EEG-Befund der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert und entsprechend antiviral behandelt worden. Bei Einsatz des Masernimpfstoffes könnten bei ca. 5 % der geimpften Personen innerhalb von einem bis drei Tagen Impfreaktionen in Form von Rötungen, Schmerzhaftigkeit und Schwellungen auftreten, gelegentlich auch verbunden mit einer Schwellung der zugehörigen Lymphknoten. Bekannt seien ferner das Auftreten von allgemeinen Symptomen wie leichter bis mäßiger Temperaturerhöhung, Kopfschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein oder Magen-Darm-Erscheinungen. Im Abstand von 5 bis 14 Tage nach der Impfung könnten bei etwa 2 % dieser Personen Symptome einer leichten "Impfkrankheit" auftreten: Fieber, verbunden mit einem schwachen masernähn...