Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen. Vertretung der Bedarfsgemeinschaft. Zurechnung von Vertreterverschulden. Haftungsbeschränkung zugunsten des minderjährigen Kindes. Erlass des Erstattungsbescheides nach Eintritt der Volljährigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die entsprechende Anwendung der Haftungsbeschränkung nach § 1629a BGB für die "Minderjährigenhaftung" im SGB 2 bei Erstattungsforderungen erfasst auch die Fälle, in denen die Aufhebung der Leistungsbewilligung sich auf Zeiten bezieht, in denen die oder der Betroffenen noch minderjährig war, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aber erst nach Eintritt der Volljährigkeit erlassen wird.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 6. August 2010 und der Bescheid vom 13. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2008 in der Fassung durch das Teilanerkenntnis vom 13. September 2012 werden abgeändert.
Der Erstattungsbescheid wird aufgehoben, soweit für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. Dezember 2006 ein über 27,29 EUR hinausgehender Betrag gefordert wird.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat ½ der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird beschränkt auf den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2006 zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und die sich daraus ergebende Erstattungsforderung. Im Streit stehen im Berufungsverfahren noch die Zeiträume vom 1. September bis zum 31. Dezember 2006 und vom 28. Februar bis zum 31. Juli 2007.
Der am … 1989 geborene Kläger lebte in den streitigen Zeiträumen in einem Haushalt mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und einer im April 1998 geborenen Schwester. Im August 2004 gab der Stiefvater des Klägers für sich und die anderen Haushaltsmitglieder den ersten ausgefüllten schriftlichen und von ihm unterschriebenen Antrag auf Grundsicherungsleistungen bei der Agentur für Arbeit N. ab, die damals die Anträge auf Grundsicherungsleistungen entgegennahm. Für den Kläger war angegeben, dieser sei Schüler. Alle Haushaltsmitglieder bezogen dann ab Anfang Januar 2005 als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II (Alg II) als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Stiefvater gab auch die von ihm unterschriebenen Folgeanträge für sich und die anderen Haushaltsmitglieder bei der ARGE SGB II Burgenlandkreis (ARGE) ab. Die ARGE übernahm bis Ende des Jahres 2010 für die Träger der Grundsicherungsleistungen im Burgenlandkreis die Verwaltungsaufgaben und erließ die Bescheide. Diese Funktion ist ab Anfang des Jahres 2011 auf den Beklagten übergegangen. Bei den Anträgen für Folgezeiträume gab der Stiefvater des Klägers jeweils an, dass keine Änderungen in den persönlichen Verhältnissen eingetreten seien.
Für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2006 bewilligte die ARGE den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 30. März 2006 Alg II als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei auf den Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 239,17 EUR entfielen. Mit Bescheid vom 1. September 2006 änderte die ARGE die Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 1. August 2006 ab und bewilligte höhere Leistungen, wobei sich für den Kläger für die Zeit ab September 2006 ein monatlicher Leistungsbetrag von 260,24 EUR ergab. Hierbei berücksichtigte die ARGE monatlich 276,00 EUR für die Regelleistung. Für Unterkunft und Heizung berücksichtigte die ARGE 138,24 EUR. Dies entsprach einem Anteil von einem Viertel der insgesamt den vier Mitgliedern des Haushalts bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 552,96 EUR. Hierbei berücksichtigte die ARGE die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Nebenkosten sowie die tatsächliche Vorauszahlung für die zentrale Heizungsversorgung von monatlich 63,00 EUR abzüglich eines Betrages von 11,34 EUR. Der Abzug entsprach 18 % des Vorauszahlungsbetrages und sollte die mit der Zentralheizung zusammen erfolgende, aber nicht getrennt erfasste Warmwasserversorgung berücksichtigen. Auf den Bedarf des Klägers rechnete die ARGE das für den Kläger bewilligte Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR im Monat als den Bedarf minderndes Einkommen an.
In der Zeit vom 18. September 2006 bis zum 17. Juli 2007 nahm der Kläger an einer von der Bundesagentur für Arbeit (BA) geförderten berufsvorbereitenden Maßnahme teil. Die BA bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 28. September 2006 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Dauer der Maßnahme in Höhe von insgesamt 211,00 EUR monatlich, wobei 192,00 EUR zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalts und 19,00 EUR für den Bedarf für Fahrkosten bewilligt wurden. Der Bewilligungsbescheid war an den Stiefvater des Klägers adre...