Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Genehmigungsfiktion. keine Kostenerstattung einer privatärztlich vorgenommenen Liposuktion. verfrühte Beschaffung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beschafft sich der Versicherte die beantragte Leistung bereits selbst, bevor die Entscheidungsfrist der Krankenkasse nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V abgelaufen ist, steht § 13 Abs 1 S 7 SGB V der Forderung nach Erstattung der Kosten der Selbstbeschaffung entgegen.

2. Der Versicherte beschafft sich die Leistung ungeachtet ihrer Ausführung bereits dann selbst, wenn er mit dem Leistungserbringer einen Vertrag schließt, in dem das schuldrechtliche Austauschverhältnis zwischen dem Leistungserbringer und ihm als Privatkunden vollständig geregelt ist und aus dem sich die Höhe der Erstattungsforderung ergibt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.10.2020; Aktenzeichen B 1 KR 3/20 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Aufwendungen für eine in einer privatärztlichen Gemeinschaftspraxis vorgenommene Liposuktion.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 11. April 2016 (Eingang am 14. April 2016) bat sie um Prüfung der Kostenübernahme für eine operative Entfernung ihres Lipödems. Einen Kostenvoranschlag der Praxis für operative Lymphologie CG-LYMPHA in Höhe von 13.622,67 EUR fügte sie bei. In diesem werden unter Benennung verschiedener Positionen bei einem Faktor der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zwischen 1,0 und 9,0 Kosten zuzüglich von Anästhesiekosten veranschlagt. Die Behandlung ist jeweils für zwei Tage vorgesehen; weiter findet sich am ersten Tag stets eine "Versorgungspauschale M.". In einem befürwortenden Schreiben dieser Praxis wird u.a. ausgeführt, eine ambulante Liposculptur sei die Therapie der Wahl.

Am 27. April 2016 schloss die Klägerin einen Behandlungsvertrag mit der Praxis über die genannte Summe ab. In diesem Vertrag wird darauf hingewiesen, dass die operative Behandlung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei. Sie sei jedoch gleichwohl aus ärztlicher Sicht sinnvoll und medizinisch indiziert. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass weder gesetzliche noch private Krankenversicherungsträger verpflichtet seien, einen Anteil von dieser Liquidation für den Eingriff oder mehrere Eingriffe zu erstatten. Dies entbinde die Klägerin jedoch nicht von ihrer Pflicht zur Zahlung des benannten Gesamtbetrages. Es sei ebenfalls bekannt, dass die Praxis als Konzessionsprivatklinik nicht auf der Grundlage der GOÄ abrechne. Die Rechnung über den jeweils fälligen Teilbetrag werde von der Klägerin nach dem jeweiligen Eingriff gestellt. Die Klägerin werde die Vergütung sodann vollständig und ohne Abzüge begleichen. Weiter schloss die Klägerin am gleichen Tag mit dem Anästhesiologen Dr. D. einen Vertrag, in dem eine Vergütung pro Operation der Beine von 850,00 EUR und pro Operation der Arme von 650,00 EUR nach der GOÄ vereinbart wurde. Auch hier wurde auf eine möglicherweise fehlende Kostenerstattung durch die Krankenkasse hingewiesen.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2016 lehnte die Beklagte ohne weitere Ermittlungen die Übernahme der Kosten ab und führte aus, bei der ambulanten Entfernung von Lipödemen handele es sich um eine sog. neue Behandlungsmethode, die nicht zu der vertragsärztlichen Versorgung gehöre. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und betonte die Notwendigkeit der gewünschten Operation. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und stützte sich auf ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt vom 15. September 2016.

Hiergegen hat die Klägerin noch im gleichen Monat Klage am Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Sie hat ausgeführt, sie habe die Behandlung nunmehr im Zeitraum vom 6. Oktober 2016 bis 13. Januar 2017 durchgeführt und hierfür 15.969,09 EUR aufgewandt. Dies hat sie mit beigefügten Rechnungen vom 8. November 2016, 19. Dezember 2016 und 31. Januar 2017 belegt. Die Differenz zu dem eingereichten Kostenvoranschlag liegt in den Anästhesiekosten. Im Rahmen der Abrechnung wird ganz weitgehend der GOÄ-Faktor 1,8 bzw. 2,3 zugrunde gelegt. Lediglich bei der Gebühren-Nr. 474a (Überwachung Tumeszenz-Lokalanästhesie) wird GOÄ-Faktor 3,5 zugrunde gelegt. Für die Anästhesie am 20. Oktober 2016 wird einschließlich der Vorbereitung 858,31 EUR, für die am 30. November 2016 einschließlich vorheriger Beratung 637,51 EUR sowie nochmals ein ähnlicher Betrag in der Rechnung vom 31. Januar 2017 zugrunde gelegt.

Mit Urteil vom 22. November 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Operation sei hier in einer privaten Praxis erfolgt. Die Kammer entnehme den Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichtes vom 11. Juli 2017 (B 1 KR 1/17 R, Rn. 20 ff.), dass der ursprüngliche Antrag nicht auf eine Privatklinik...

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