Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtmäßigkeit: Aufhebungs- und Erstattungsbescheid. Angelegenheiten nach dem SGB 2. Jahresfrist gem § 45 Abs 4 S 2 SGB 10. Vertrauensschutz gem § 45 Abs 2 SGB 10. Nichtangabe eines monatlichen Unfallrentenbezugs. objektive Beweislast für nichterweisliche Tatsachen. falsche Beratung durch Sachbearbeiter
Leitsatz (amtlich)
1. Die Jahresfrist gemäß § 45 Abs 4 S 2 SGB 10 beginnt erst zu laufen, wenn aus Sicht der Behörde eine hinreichend sichere Informationsgrundlage der anspruchsrelevanten Tatsachen geschaffen worden ist.
2. Enthält die Verwaltungsakte keine Hinweise auf eine anzugebende Unfallrente, ist der Leistungsberechtigte für Geschehensabläufe beweisbelastet, die auf eine rechtswidrige Beratung und Anspruchsprüfung der Behörde hinauslaufen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende und eine sich daraus ergebende Erstattungsforderung des Beklagten. Im Streit stehen im Berufungsverfahren noch die Zeiträume vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2006 sowie vom 1. Oktober 2006 bis 30. Juni 2008.
Die am ... 1950 geborene Klägerin beantragte am 13. September 2004 beim Beklagten für sich und ihren damaligen Lebenspartner, dem am ... 1941 geborenen G., den sie ... 2009 heiratete, Leistungen nach dem SGB II. G. bezog zu diesem Zeitpunkt eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 262,79 EUR (ab dem 1. Juli 2007: 264,21 EUR) sowie ab Juli 2003 eine Altersrente von der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt in Höhe von 950,02 EUR. Für sein Auto wendete er im Jahr 2005 einen Kfz-Haftpflichtversicherungsbetrag von 205,84 EUR auf. Die Unfallrente war im Erstantragsformular nicht aufgeführt worden und wurde vom Beklagten zunächst nicht berücksichtigt.
Für ihre dreieinhalb Zimmer große Wohnung von 73,20 m² mussten die Klägerin und ihr Partner seit dem 1. Januar 2004 eine Gesamtmiete von 373,92 EUR (Grundmiete: 296,54 EUR; Umlage: 77,38 EUR; monatliche Abschlagszahlung für Gas [Heizung]: 59,00 EUR) aufwenden. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2004 bewilligte der Beklagte ihr unter Anrechnung des anteiligen Renteneinkommens des Partners für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2005 monatliche Leistungen auf Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 115,71 EUR. Im weiteren Bescheid vom 27. Mai 2005 sowie Änderungsbescheid vom 21. Juni 2005 setzte der Beklagte die monatlichen KdU-Leistungen der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 auf 115,71 EUR fest (Bl. 142 d.GA). In einem weiteren Bescheid vom 29. Dezember 2005 erhöhte der Beklagte für diesen Bewilligungszeitraum den monatlichen KdU-Anspruch auf 120,13 EUR.
Mit Weiterbewilligungsantrag vom 22. November 2005 legte die Klägerin den aktuellen Rentenbescheid von G. über eine Höhe von 945,32 EUR seit Juli 2005 vor. Die Prämie der Kfz-Haftpflichtversicherung betrug im Jahr 2006 monatlich 19,00 EUR. Im Bescheid vom 7. Dezember 2005 bewilligte der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 zunächst monatliche KdU-Leistungen in Höhe 115,43 EUR (Bl. 151 d.GA) und erhöhte diesen Betrag auf 120,13 EUR (Bescheid vom 29. Dezember 2005, Bl. 154 d.GA). Wegen eines Guthabens aus einer Betriebskostenabrechnung hob der Beklagte die Bewilligung für November 2005 in Höhe von 62,58 EUR auf (Bescheid vom 28. Juni 2006). Ab dem 1. Januar 2006 erhöhte der Energieversorger der Klägerin die monatliche Abschlagszahlung auf 70,00 EUR. Im Weiterbewilligungsantrag vom 8. Juni 2006 gab die Klägerin die Rente des Rentenversicherungsträgers für ihren Mann mit 945,32 EUR an. Der Haftpflichtversicherungsbeitrag für dessen Pkw betrug 228 EUR jährlich. Mit Bescheid vom 15. Juni 2006 bewilligte der Beklagte für den Bewilligungsabschnitt 1. Juli bis 31. Dezember 2006 monatliche KdU-Leistungen in Höhe von 157,51 EUR (Bl. 157 d. GA). Wegen eines Betriebskostenguthabens erließ der Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Dezember 2006 und forderte von der Klägerin für den Bewilligungsmonat Oktober 2006 45,38 EUR zurück.
Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom 27. November 2006 erließ der Beklagte einen Leistungsbescheid vom 8. Dezember 2006 und bewilligte KdU-Leistungen ab dem 1. Januar bis 30. Juni 2007 von monatlich 157,51 EUR (Bl. 161 d. GA). Nach einem Weiterbewilligungsantrag vom 1. Juni 2007 gewährte der Beklagte für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 KdU-Leistungen von monatlich 153,85 EUR (Bescheid vom 11. Juni 2007; Bl. 164 d. GA). Ab Oktober 2006 erhöhte der Energieversorger der Klägerin die monatliche Abschlagszahlung auf 83,00 EUR. Ein Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung führte zu einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Dezem...