Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. unheilbare psychische Erkrankung. Borderline-Syndrom. quantitatives Leistungsvermögen
Leitsatz (amtlich)
Eine unheilbare psychische Erkrankung vom Borderline-Typ, die zur Linderung einer Langzeittherapie bedarf, führt nicht zwingend zu einem rentenrelevant verminderten quantitativen Leistungsvermögen. Dies gilt insbesondere, wenn das Krankheitsbild schon von Kindheit an vorliegt und damit wettbewerbsfähig gearbeitet worden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. März 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger einen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) hat.
Der am ... 1967 geborene Kläger erlernte von 1985 bis 1988 den Beruf eines Instandhaltungsmechanikers und übte diese Tätigkeit bis 1991 aus. Anschließend war er bei demselben Arbeitgeber zunächst als Gleisbauer, dann als Baufachwerker beschäftigt, bis er sich 1997 als Gastronom selbständig machte. Unterbrochen durch Arbeitslosigkeitszeiten war er bis zum 14. April 2005 selbständig tätig, danach bezog er SGB II-Leistungen. Nach Durchführung von Fördermaßnahmen sowie weiteren Arbeitslosigkeits- und Arbeitsunfähigkeitszeiten machte sich der Kläger von 2008 bis 2010 mit der Lieferung und Montage von Türen wieder selbständig.
Am 26. Juni 2009 stellte der Kläger mündlich zu Protokoll bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung wegen einer schweren Borderlineerkrankung nebst Depression sowie einer Bewegungseinschränkung seiner rechten Hand. Letztere wurde durch einen Unfall vom 02. November 2008, bei dem er durch eine gläserne Tür stürzte, verursacht. Er zog sich hierbei am rechten Unterarm Schnittverletzungen zu, was die Verletzung des Nervus medianus zur Folge hatte. Anschließend befand er sich vom 03. bis zum 05. November 2008 im A. Klinikum St. S. zur Heilbehandlung.
Die Beklagte zog Arztbriefe vom 18. Februar 2003, 13. Juli 2004 und 10. November 2008 über stationäre Aufenthalte im St. S. Krankenhaus (später: A. Klinikum St. S.) sowie einen Bericht der Dipl.-Psych. H. vom 27. Dezember 2007 und einen Befund der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie Dr. G. vom 06. Mai 2009 bei. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 08. September 2009 erstellte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) der Beklagten unter gleichem Datum ein Gutachten mit den Diagnosen einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und einer inkompletten sensibelbetonten Medianusparese rechts nach Schnittverletzung. Im Ergebnis seien dem Kläger noch mittelschwere körperliche Arbeiten ohne besondere Belastungen für seine rechte Hand zuzumuten. Feinmotorische Tätigkeiten und Dauerbelastungen der rechten Hand seien ausgeschlossen. In geistiger Hinsicht sei er für einfache Belastungen ohne besondere Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie ohne Verantwortung für Personen und Maschinen und ohne Überwachung bzw. Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sechs Stunden und mehr täglich belastbar.
Mit Bescheid vom 18. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Auch in Anbetracht einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und einer inkompletten sensibelbetonten Medianusparese rechts nach Schnittverletzung liege keine rentenrelevante Erwerbsminderung vor. Mit seinem am 02. Oktober 2009 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, in seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr arbeiten zu können und nicht mehr sechs Stunden täglich leistungsfähig zu sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2010 wies die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. D. den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 09. April 2010 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) unter Hinweis auf seine Borderlineerkrankung Klage erhoben und vorgetragen, eine eingeschränkte Beweglichkeit seines dritten und vierten Fingers der rechten Hand habe Einfluss auf seine bisherige Montagetätigkeit. Ein vollständiger Gebrauch seiner rechten Hand sei ihm nicht mehr möglich. In seiner selbständigen Tätigkeit als Gastronom könne er nur noch zehn Stunden in der Woche, bei maximal drei Stunden am Tag, arbeiten. Das SG hat den Entlassungsbericht der Privat-Nerven-Klinik Dr. F. vom 26. Januar 2008 sowie Befundberichte der Chirurgin Dr. Z. vom 27. Juli 2010, der Dipl.-Psych. H. vom 27. Juli 2010 und des Ergotherapeuten M. vom 03. September 2010 beigezogen. Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen hat die Beklagte dem SG die Stellungnahme des SMD (von Dr. H. und Dr. D.) vom 01. Oktober 2010 übersandt. Danach sei die vom Kläger demonstrierte Kraftminderung der rechten Hand nicht n...