Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftsverlangen nach § 60 Abs 2 SGB 2. Unzulässigkeit einer teilweisen Aufhebung durch das Sozialgericht. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Berufung des Adressaten. vollständige Aufhebung im Berufungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Nach den Grundsätzen zum Verbot einer sog geltungserhaltenden Reduktion von Auskunftsverwaltungsakten sind die Gerichte nicht befugt, solche Bescheide im Sinne eines vermeintlichen "Minus" nur teilweise aufzuheben. Dies gilt auch für Auskunftsbegehren nach § 60 SGB II.
2. Hat das Sozialgericht einen Auskunftsverwaltungsakt gleichwohl nur teilweise aufgehoben und hat dagegen ausschließlich der Adressat dieses Verwaltungsaktes Berufung eingelegt, ist der Verwaltungsakt im Berufungsverfahren insgesamt aufzuheben.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 5. Juli 2019 wird abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 22. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2016 wird insgesamt aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über ein Auskunftsverlangen des Beklagten gegen den Kläger.
Der 1967 geborene Kläger heiratete am 21. Januar 2011 Frau B, die bei der Eheschließung den Familiennamen des Klägers annahm. Die Ehe wurde am 15. September 2016 geschieden. Seit 18. November 2016 führt die frühere Ehefrau wieder ihren ursprünglichen Familiennamen (im Folgenden einheitlich: Frau B).
Am 9. Juni 2016 beantragte Frau B beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 22. August 2016 auf, einen beigefügten „Fragebogen zur Prüfung der Unterhaltspflicht“ ausgefüllt an ihn zurückzusenden. Der Kläger sei nach § 60 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) verpflichtet, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben. Komme er seiner Auskunftspflicht nicht nach, könnten Maßnahmen des Verwaltungszwangs ergriffen werden. Der Fragebogen enthielt zunächst unter Ziffer 1 Fragen nach „Angaben zur Person“ des Unterhaltspflichtigen und dessen Ehegatten (unter der Voraussetzung, dass der Unterhaltspflichtige mit dem Ehegatten zusammenlebe). Gefragt wurde nach Name, Geburtsdatum und -ort, Familienstand, Adresse, ausgeübtem Beruf, Anschrift des Arbeitgebers und Datum der Heirat/Ehescheidung. Unter Ziffer 2 wurde nach der Zugehörigkeit des Unterhaltspflichtigen zu einer Bedarfsgemeinschaft gefragt, die Leistungen nach dem SGB II oder dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) bezieht. Es folgten Fragen nach Einkommen (Ziffer 3), berufsbedingten Aufwendungen (Ziffer 4), Versicherungsbeiträgen (Ziffer 5), Verpflichtungen aus Schulden (Ziffer 6) und Kosten der Unterkunft (Ziffer 7) jeweils des Unterhaltspflichtigen und des Ehegatten sowie nach Kindern und sonstigen Personen im Haushalt und sonstigen unterhaltsberechtigten Personen außerhalb des Haushalts des Unterhaltspflichtigen und etwaigen Unterhaltszahlungen (Ziffer 8) sowie schließlich nach Vermögen des Unterhaltspflichtigen oder seines Ehegatten oder Partners (Ziffer 9).
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Frau B habe gegen ihn keinen Unterhaltsanspruch. In der mündlichen Verhandlung des Ehescheidungstermins habe sie erklärt, sich in einer Ausbildung zur Servicekraft zu befinden. Außerdem arbeite sie abends als Bedienung in einer Shisha-Bar. Das Einkommen aus den beiden Tätigkeiten reiche sicher aus, um den eigenen Unterhalt zu bestreiten. Ihr Bedarf sei nicht sehr hoch, weil sie sich Wohn- und andere Kosten mit ihrem Lebensgefährten teile, von dem sie ein Kind erwarte und der ebenfalls Einkommen erziele. Aufgrund der verfestigten Beziehung zu diesem Lebensgefährten sei ein Unterhaltsanspruch bereits vor der Scheidung entfallen. Seines Wissens sei Frau B schon zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Beklagten schwanger gewesen. Ohnehin seien Unterhaltsansprüche längst verwirkt. Die Ehe sei nur von kurzer Dauer gewesen. Bereits im September 2011 sei Frau B aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Schon während des Getrenntlebens sei sie der Prostitution nachgegangen und habe dadurch offenbar ihren Lebensunterhalt immer selbst bestreiten können.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2016 als unbegründet zurück. Frau B beziehe von ihm laufend Arbeitslosengeld II. Für den Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II, §§ 1605 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müsse nicht bereits feststehen, dass ein Unterhaltsanspruch besteht. Der Unterhaltsverpflichtete habe die Auskunft so umfassend zu erteilen, dass der Leistungsträger den Unterhaltsanspruch der Höhe nach berechnen und geltend machen könne. Die Angaben seien durch geeignete Nachweise zu belegen.
Am 3. November 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben. Er hat u.a. geltend gemacht, ein Auskunf...