Der Fall: Aufsichtsbehörde fordert Arbeitszeitnachweise ein
Das Landesamt für Verbraucherschutz ist Sachsen-Anhalts Aufsichtsbehörde für den Arbeitsschutz. Mit Bescheid vom 8.7.2019 hat dieses die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die einen Pflegedienst betreibt, festgestellt, für die 21 Beschäftigten ihres Pflegeteams Arbeitszeitnachweise für die Monate September bis November 2018 sowie die Dienstpläne für diesen Zeitraum zu übersenden. Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin. Es hätte nach einer Begehung durch die Behörde, bei der Auffälligkeiten in der Erfassung der Arbeitszeiten festgestellt wurden, keine weitere Anhörung gegeben, so dass die nun erfolgte Aufforderung unrechtmäßig sei. Die Behörde hat eingewandt, dass bei der am 21.11.2018 durchgeführten Betriebsbegehung bei einer Einsichtnahme in den Dienstplan von November 2018 festgestellt worden sei, dass die Beschäftigten an Sonn- und Feiertagen arbeiteten, einzelne Dienste bereits in der Planung länger als acht Stunden dauerten, einzelne Personen mehr als 200 Arbeitsstunden pro Monat leisteten, in der Legende zum Dienstplan keine Pausen ausgewiesen seien, die Ersatzruhetage für Sonntagsarbeit nicht geplant seien und für einzelne Personen mehrere Dienste an einem Arbeitstag vorgesehen seien. Aufgrund der Feststellungen bestünde der Verdacht der nicht ausreichenden Umsetzung von Regelungen des ArbZG. Dies mache eine anlassbezogene Überprüfung notwendig. Für die 21 Beschäftigten des Pflegeteams der Klägerin, die in dem eingesehenen Dienstplan vom November 2018 ausgewiesen seien, seien auf der Grundlage des § 17 Abs. 4 ArbZG Arbeitszeitnachweise für die Monate September bis November 2018 zur Kontrolle der Einhaltung der Regelungen des ArbZG sowie die entsprechenden Dienstpläne zu übersenden. Anhand dieser Ausführungen war hinreichend erkennbar, dass und weshalb der Beklagte die Vorlage von Arbeitszeitnachweisen und Dienstplänen durch die Klägerin für geboten hält. Damit sei jedenfalls dem Zweck einer Anhörung Genüge getan.
Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen.
OVG: Tätigwerden der Behörde ohne konkrete Verstöße ist möglich
Entgegen der Meinung der Klägerin setzt auch nach Auffassung des OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 17.11.2022, Az. 1 L 100/20) die für das Auskunftsverlangen der Aufsichtsbehörde maßgebliche Regelung des § 17 Abs. 4 ArbZG weder die konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen das ArbZG voraus, noch muss ein solcher Verstoß bereits feststehen. Nach § 17 Abs. 4 ArbZG könne die Aufsichtsbehörde vom Arbeitgeber die für die Durchführung des ArbZG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlichen Auskünfte verlangen und ferner verlangen, die Arbeitszeitnachweise vorzulegen oder zur Einsicht einzusenden. Schon diesem Wortlaut nach verlange § 17 Abs. 4 ArbZG für ein Tätigwerden der zuständigen Behörde nicht, dass konkrete Verstöße gegen Bestimmungen des ArbZG bereits feststehen oder zumindest ein konkreter Verdacht eines Gesetzesverstoßes gegeben ist. Die Auskunft, auf welche sich das behördliche Verlangen bezieht, müsse für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des ArbZG und der auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen durch die hierfür nach § 17 Abs. 1 ArbZG zuständige Behörde erforderlich sein. Dies schließe eine allgemeine, ungezielte Ausforschung des Arbeitgebers und anlasslose Auskunftsverlangen aus. Ausreichend, aber auch erforderlich sei vielmehr, dass die Aufsichtsbehörde einen berechtigten Anlass hat, zu prüfen, ob ein Arbeitgeber die Arbeitszeitvorschriften einhält. Dies könne z. B. der Fall sein, wenn eine Betriebsprüfung Anhaltspunkte für Verstöße gegen Arbeitszeitbestimmungen ergibt oder wenn die Aufsichtsbehörde - auch anonyme - Hinweise auf solche Verstöße erhält.
Wichtig für die Praxis
Nach dem Urteil des BAG zur Arbeitszeiterfassung werden absehbar Überprüfungen der Vorgaben des Arbeitszeitrechts durch die Aufsichtsbehörden zunehmen. Bereits geringe Unstimmigkeiten können dazu führen, dass genauer nachgeforscht wird, was sich - wie die vorliegende Entscheidung zeigt - kaum verhindern lässt. Nachforschungen sind möglich, wenn es geringfügige Anlässe dazu gibt (wobei von „Geringfügigkeit“ im vorliegenden Fall ja kaum zu sprechen ist).
Diese Rechtsprechung lässt sich im Übrigen auch auf Überwachungsgebiete anderer Art im Arbeitsschutz übertragen. Sie zeigt auf, dass es billiger und nervenschonend ist, Regeln im Vorhinein einzuhalten, anstatt im Nachgang aufwendige juristische Scharmützel vom Zaun zu brechen.