Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestattungskosten nach § 74 SGB XII. Zurückverweisung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Berücksichtigung der regelmäßigen Briefbeförderungszeit

 

Orientierungssatz

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer gesetzlichen Frist ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, diese einzuhalten. Kann das Gericht eine unverschuldet versäumte Frist zur Klageerhebung nicht ausschließen, so ist Wiedereinsetzung zu gewähren.

2. An einem Verschulden fehlt es u. a. dann, wenn ein Schriftstück entsprechend den Bestimmungen der Deutschen Post AG so rechtzeitig auf die Post gegeben wird, dass dieses bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht hätte. Regelmäßig ist dabei davon auszugehen, dass eine bestimmungsgemäße Auslieferung für die an einem Werktag eingelieferte Briefsendung am auf den folgenden Werktag angenommen wird. Dies gilt auch für eine Einschreibsendung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Sache über die Kostenerstattung für die Bestattung des gemeinsamen Sohnes der Kläger.

Der am ... 1975 geborene älteste Sohn der Kläger, S M., verstarb am 9. Januar 2009 in B im Salzlandkreis. Er bezog zum Zeitpunkt seines Todes auf Grund einer vorläufigen Entscheidung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Arbeitsgemeinschaft SGB II Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Nach dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts - Nachlassgericht - K. ist er von den Klägern jeweils zu einem hälftigen Anteil beerbt worden.

Die Klägerin zu 1. bezog vom 1. Mai 2008 bis zum 30. Oktober 2009 Arbeitslosengeld I mit einem ausgezahlten Betrag (Leistungsentgelt) in Höhe von 451,80 EUR monatlich, der Kläger zu 2. ausweislich des Lohn- und Gehaltsausdrucks für Dezember 2008 im Januar 2009 ein ausgezahltes Nettoentgelt von 1.388,60 EUR (zzgl. 40,00 EUR vermögenswirksame Leistungen), im gesamten Kalenderjahr 2008 ein ausgezahltes Nettoentgelt von 15.923,76 EUR (zzgl. 480,00 EUR vermögenswirksame Leistungen). Die Klägerin zu 1. bezog im Übrigen unregelmäßig Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung (Oktober und Dezember 2008 jeweils 165,00 EUR, Februar 2009 138,00 EUR, März 2009 52,00 EUR, April 2009 26,00 EUR). Aus Anlass des Todes des Sohnes zahlte die Z ... D H. Lebensversicherungs AG aus dessen Rentenversicherung im Februar 2009 auf Grund der Bezugsberechtigung an die Klägerin zu 1. 905,55 EUR und an den Kläger zu 2. 905,56 EUR aus.

Für die Bestattung von S. M. forderte die Stadt K mit Gebührenbescheid vom 9. Januar 2009 für die Urnenbeisetzung in einer Gemeinschaftsanlage 770,00 EUR; der Steinmetzbetrieb berechnete unter dem 30. Januar 2009 für die Grabplatte 360,82 EUR; für die Feuerbestattung stellte das Bestattungsinstitut den Klägern unter dem 11. Februar 2009 1.554,60 EUR für eigene Leistungen und 349,47 EUR für Fremdleistungen, d.h. insgesamt 1.904,07 EUR, in Rechnung.

Den am 27. Januar 2009 bei dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld eingegangenen Antrag der Kläger auf Übernahme der Bestattungskosten für ihren Sohn leitete dieser an den beklagten Landkreis weiter, der den Klägern mit Schreiben vom 20. Mai 2009 mitteilte, es werde beabsichtigt, diesen Antrag abzulehnen. Für eine abschließende Prüfung der Einkommens- und Vermögenssituation der Kläger seien ggf. weitere - noch nicht nachgewiesene - abzugsfähige Ausgaben für Versicherungen zu berücksichtigen. Neben weiteren Belegen über Einkommen und Ausgaben legten die Kläger daraufhin eine ausschließlich von F. M ..., der Mutter des Klägers zu 1., unterzeichnete Erklärung vom 10. Juni 2009 vor. Sie habe den Klägern für die Begleichung der Bestattungskosten am 17. Februar 2009 ein Darlehen in Höhe von 2.800,00 EUR zur Verfügung gestellt, das sie in einem Zeitraum vom sechs Monaten zurückerstattet haben wolle.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2009 lehnte der Beklagte die Übernahme der Bestattungskosten ab. Von den geltend gemachten Bestattungskosten würden - unter Kürzung der Kosten für Eigen- und Fremdleistungen des Bestattungsinstituts, der Beisetzung und der Anbringung einer Grabplatte - insgesamt 2.142,91 EUR als angemessen anerkannt. Unter Berücksichtigung der Auszahlung der Z D. H Lebensversicherungs AG in Höhe von insgesamt 1.811,11 EUR seien als nicht durch den Nachlass gedeckte Bestattungskosten 331,80 EUR zu berücksichtigen. Das bereinigte Einkommen der Bedarfsgemeinschaft betrage 1.741,00 EUR. Die Einkommensgrenze gemäß § 85 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) bilde sich aus dem Grundbetrag in Höhe von zurzeit 702,00 EUR und den anteiligen angemessenen Unterkunftskosten (ohne Heizung), hier zwei Viertel der Unterkunftskosten in Höhe von 210,15 EUR. Für eine weitere Person der Bedarfsgemeinschaft sei ein Familienzu...

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