Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Beiträge für eine privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Ruhen des Versicherungsvertrages aufgrund von Beitragsschulden. Versicherung im Notlagentarif. Einkommenseinsatz. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Heranziehung des Einkommensteuerbescheides bei vergangenen Bedarfszeiträumen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Hilfesuchender in der Vergangenheit erhebliche Beitragsschulden in der privaten Krankenversicherung aufgebaut und ist dementsprechend der Vertrag gemäß § 193 Abs 6 S 4 VVG (juris: VVG 2008) zum Ruhen gebracht worden, sodass das Ruhen nicht allein mit der Feststellung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII und mit der Bewilligung von Beiträgen im Basistarif beendet werden kann, sondern die vollständige Tilgung der Schulden voraussetzt, ist (nur) der Notlagentarif als weiterer zusätzlicher Bedarf gemäß § 32 SGB XII zu berücksichtigen.

2. Liegt der Bedarfszeitraum in der Vergangenheit, ist für eine Einkommensprognose und eine hypothetische Einnahmenüberschussrechnung kein Raum mehr, wenn zwischenzeitlich der - bestandskräftige - Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes vorliegt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.03.2019; Aktenzeichen B 8 SO 23/18 BH)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers nur im ersten Rechtszug zu zwei Fünfteln. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen .

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob und in welcher Höhe der Kläger Anspruch auf Auszahlung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) zu seinen Händen im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012 hat.

Der am ... 1946 geborene Kläger lebte im hier streitgegenständlichen Zeitraum mit seiner am ... 1957 geborenen Ehefrau in einer 75 m² großen Drei-Zimmerwohnung in der E ...straße ... in M ... Ausweislich des am 13. Juni 2010 geschlossenen Mietvertrages betrug die Miete für das am 1. Oktober 2010 beginnende Mietverhältnis monatlich 535,00 EUR (Grundmiete 375,00 EUR zuzüglich 160,00 EUR Nebenkosten). Nach § 2 Satz 1 des Vertrages wird das Mietverhältnis für unbestimmte Zeit abgeschlossen. Satz 2 des § 2 bestimmt, dass der Vertrag vom Mieter bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Kalendermonats schriftlich gekündigt werden kann (Hinweis auf § 573 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Mit der Betriebskostenabrechnung vom 26. September 2012 wurde für das Jahr 2011 ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 163,65 EUR in Rechnung gestellt.

Der Kläger bezieht seit dem 1. Oktober 2011 Regelaltersrente. Von Januar bis Juni 2012 betrug der monatliche Zahlbetrag 649,19 EUR einschließlich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 44,17 EUR und von Juli bis Dezember 2012 663,85 EUR einschließlich des Krankenversicherungsbeitragszuschusses in Höhe von 45,17 EUR.

Der Kläger war zudem vom 1. Januar bis zum 11. Oktober 2012 als Rechtsanwalt zugelassen und tätig. Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen am 10. Dezember 2012 verzichtete er auf seine Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zum 12. Oktober 2012. Vom 1. Januar bis zum 30. April 2012 zahlte er seiner Ehefrau für ihre Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei 1.621,00 EUR. Vom 1. Mai 2012 bis zum 30. Juli 2013 erhielt die Ehefrau des Klägers Arbeitslosengeld gemäß § 136 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III).

Am 30. Januar 2012 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er gab an, bei der I. Krankenversicherung aG (im Weiteren: I) kranken- und pflegeversichert zu sein und legte eine Beitragsanpassungsbescheinigung zum 1. Januar 2012 vor, wonach er monatlich insgesamt 704,13 EUR für die private Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten habe (664,75 EUR/39,38 EUR). Über Vermögen, Bargeld sowie Guthaben auf Spar- und/oder Girokonten verfüge er nicht. Aus seiner selbstständigen Tätigkeit erziele er jährlich 1.784,00 EUR; insoweit legte er den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vor. Ferner reichte er eine formularmäßige Einnahmenüberschussrechnung für das Kalenderjahr 2011 ein, wonach der Summe der Betriebseinnahmen in Höhe von 26.924,74 EUR die Summe der Betriebsausgaben in Höhe von 22.189,64 EUR (einschließlich Absetzung für Abnutzung (AfA) eines Kfz in Höhe von 1.917,34 EUR, gezahlter Vorsteuerbeträge in Höhe von 794,85 EUR und Umsatzsteuer in Höhe von 2.627,21 EUR) gegenüber gestellt ist. Hieraus ergebe sich rechnerisch ein monatlicher Gewinn von 394,95 EUR, ohne AfA ein monatlicher Gewinn von 554,37 EUR; hiervon seien monatliche Kreditraten von jeweils 245,18 EUR zu zahlen gewesen.

Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 5. März 2012 darauf hin, dass die Kosten der Unterkunft (im Weitern: KdU) unangeme...

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