Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen aG. Zugang zu Parkerleichterungen. Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. kein subjektives Leistungsrecht aus der UN-Behindertenrechtskonvention

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bedarf an möglichst großen Parkflächen, um für den Ausstieg eines behinderten Menschen die Fahrertür eines Autos weit öffnen zu können, genügt allein nicht, um die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" zu erfüllen.

2. Das Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK - juris: UNBehRÜbk) rechtfertigt keine Neubewertung der strengen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG".

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.01.2013; Aktenzeichen B 9 SB 90/12 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens “aG„ (außergewöhnliche Gehbehinderung).

Der ... 1942 geborene Kläger beantragte am 13. Juni 1993 nach einem schweren Arbeitsunfall die Feststellung von Behinderungen. Nach einem Teilbescheid vom 18. Oktober 1993 stellte der Beklagte nach Abschluss des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens der zuständigen Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 11. Januar 1996 folgende Behinderungen fest:

“Erhebliche Bewegungs- und Belastungseinschränkung des rechten Beines bei schwerer Arthrose im Kniegelenksbereich nach Unterschenkeltrümmerfraktur und nachfolgender Amputation des rechten Fußes oberhalb des Sprunggelenks; Funktionseinschränkung rechtes Schultergelenk bei Ernährungsstörung der Schultermuskulatur und flächenhafter Narbenbildung über dem Schulterblatt nach Fraktur des Schulterblattes rechts; in Fehlstellung verheilte Schlüsselbeinfraktur rechts und ausgedehnten Hautablederungen im rechten Schulterbereich; inkomplette Lähmung, ruhende Knochenmarkentzündung und Operationsnarbenbildung im Bereich des rechten Oberarms sowie Bewegungseinschränkungen des Ellenbogengelenks nach Oberarmmehretagenfraktur; Verlust des Spitz- /Feingriffes und mit Einschränkung von Schlüsselgriff, Faustschluss und der groben Kraft der linken Hand nach offenen Gelenkfrakturen der Finger II und III; Amputation des Zeigefingers sowie Versteifung des Mittelgelenks des III Fingers der linken Hand; Narbenbildung rechter Kopfbereich nach multiplen Kopfplatzwunden (BG Bescheid).„

Der Grad der Behinderung (GdB) wurde mit 80 bewertet und die Voraussetzungen des Merkzeichens “G„ festgestellt.

Am 11. September 2001 beantragte der Kläger wegen zwischenzeitlich eingetretener Sehstörungen eine Neufeststellung. Nach Durchführung von medizinischen Ermittlungen stellte der Beklagte zusätzlich eine Sehbehinderung fest (Einzel-GdB 10), lehnte jedoch eine Erhöhung des Gesamt-GdB mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Februar 2002 ab.

Am 22. Juni 2006 beantragte der Kläger wegen einer Amputation des rechten Beins eine Neufeststellung sowie die Feststellung des Merkzeichens “aG„. Der Beklagte holte Unterlagen der Berufsgenossenschaftlichen Klinik B... ein. Nach einem Schreiben der Klinik vom 29. Juni 2006 war beim Kläger am 21. Juni 2006 eine Oberschenkelamputation rechts sowie eine offene Stumpfbehandlung vorgenommen worden. Im weiteren Verlauf der Behandlung habe er eine Oberschenkelprothese erhalten. Nach einem Schreiben der Klinik vom 16. Oktober 2006 habe der Kläger keine Beschwerden an der Prothese angegeben. Mit Bescheid vom 22. Februar 2007 lehnte der Beklagte die Neufeststellung ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 28. Februar 2007: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “aG„ seien gegeben. Aufgrund der erheblichen Folgen des Arbeitsunfalls sei er auf den ständigen Gebrauch von zwei Gehstützen angewiesen. Die Prothese gebe dabei keinen hinreichenden Halt. So könne er sich auf unebenem Untergrund nur unter Mühen mit den Gehhilfen über kurze Wegstrecken fortbewegen. Ohne die Gehhilfen komme es zum Einknicken der Prothese und zu einem völligen Verlust der Standfestigkeit. Hierbei wirkten sich insbesondere die Funktionseinschränkungen im oberen Bewegungsapparat sehr nachteilig aus. Wegen dieser Funktionseinschränkungen sei eine längere Wegstrecke von mehr als 100 m nicht zu bewältigen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 (Ab-Vermerk: 3. Mai 2007) zurück: Es bestehe kein Leidens

zustand, der die Fortbewegung auf das Schwerste behindere.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Juni 2007 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat er geltend gemacht: Bereits nach kurzen Wegstrecken sei er stark erschöpft und benötige Erholungspausen. Die Überwindung von Treppenstufen sei nur unter allergrößter Kraftanstrengung möglich. Gerade das Zusammenwirken verschiedener körperlicher Behinderungen führe bei ihm zu einer gravierenden Einschränkung der Gehfähigkeit.

Das SG hat u.a. Befu...

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