Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes bei beantragter Rente wegen voller Erwerbsminderung
Orientierungssatz
1. Eine schwere spezifische Leistungsminderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen führt bei beantragter Rente wegen voller Erwerbsminderung dann zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes durch den Rentenversicherungsträger, wenn dem Versicherten der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vollschichtigen Leistungsvermögens praktisch verschlossen ist, wenn er krankheitsbedingt keine Erwerbstätigkeit unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen nicht mehr ausüben kann. Die Bedingungen sind üblich, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl anzutreffen sind.
2. Liegt bereits keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung vor, so ist eine Summierung dieser ausgeschlossen.
3. Eine fehlende Wegefähigkeit des Versicherten begründet einen sog. Seltenheits- oder Katalogfall, der zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führt. Eine fehlende Wegefähigkeit ist zu verneinen, wenn der Versicherte Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichen kann, z. B. mit einem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit dem Fahrrad.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.
Der am ... 1966 geborene Kläger hat den 8.-Klasse-Schulabschluss erreicht und vom 1. September 1980 bis zum 28. Februar 1982 eine Ausbildung zum Ausbaumaurer sowie vom 1. Juli 1987 bis zum 20. Juni 1989 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Anlagentechnik abgeschlossen. In der Folgezeit war er als Arbeiter im Kabelschachtbau, Fenster- und Fassadenmonteur, Dachdecker und seit August 2008 als Hausmeister tätig, zunächst bis Oktober 2009 vollschichtig und dann seit Juli 2011 nach seinen Angaben täglich drei Stunden. Seit 2013 pflegt er zudem seinen Vater.
Am 31. Juli 2006 stellte er erstmalig erfolglos den Antrag auf Bewilligung von Rente bei der Beklagten. Am 4. Oktober 2010 beantragte er erneut Rente mit der Begründung, er könne wegen einer Sprunggelenksarthrose keinerlei Arbeiten mehr verrichten. In dem beigefügten arbeitsamtsärztlichen Gutachten von Dr. W. vom 17. Januar 2007 werden vollschichtig gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und/oder Sitzen ohne langes Gehen, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie ohne häufiges Bücken und Hocken für zumutbar erachtet. Als Gesundheitsstörungen seien eine Arthrose des rechten Sprunggelenkes, therapieresistente Ellenbogenbeschwerden links und ein gut eingestellter Bluthochdruck berücksichtigt. In dem daraufhin von der Fachärztin für Orthopädie - Chirotherapie - Akupunktur Dr. W. erstatteten Gutachten vom 23. Februar 2011 kam diese nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 3. Februar 2011 zu dem Ergebnis, aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Hausmeister aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Sprunggelenke nur unter drei Stunden einsatzfähig. Gleichwohl sei er in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und/oder Sitzen unter Vermeidung von Zwangshaltungen und Verdrehbewegungen des Rumpfes, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten und ohne häufiges Treppensteigen sowie ohne knieende und hockende Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dabei seien folgende Diagnosen zu berücksichtigen:
Arthrose beider Sprunggelenke.
Chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen L4/5 und L5/S1.
Rumpfmuskelinsuffizienz.
Hypertonus.
Hyperurikämie.
Angststörungen.
Der Rentenantrag vom 4. Oktober 2010 wurde bestandskräftig abgelehnt.
Den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag vom 12. Juni 2012 begründete der Kläger mit einem Knochenverschleiß seit 2005, Bewegungseinschränkungen und dauerhaften Schmerzen. Er könne nur noch höchstens vier Stunden an drei Tagen in der Woche zusammenhängend arbeiten. Die Beklagte holte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 26. Juli 2012 ein, die als geklagte Beschwerden einen Rückenschmerz, einen Schmerz beider oberer Sprunggelenke, Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie Schwitzen angab und diverse ärztliche Unterlagen beifügte. Der Facharzt für Nuklearmedizin Dr. H. berichtete unter dem 5. August 2011 über eine kernspintomographische Verlaufskontrolle der Lendenwirbelsäule am 26. Juli 2011, wobei sich beide Prolapse gegenüber der letzten Voraufnahme vom 10. März 2009 etwas rückläufig gezeigt hätten sowie unter dem 5. April 2012...