Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Zweipersonenhaushalt in Halberstadt im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Datenerhebung und -auswertung. Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Rückgriff auf den Bundesweiten Heizspiegel. unzulässige Pauschalierung. Fortschreibung. Preisindex für die Entwicklung der Mietkosten in Sachsen-Anhalt. Methodenfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Die KdU-Richtlinie auf der Grundlage der Mietwerterhebung mit Stichtag 1.12.2015 in der Auswertung der Korrekturberichte von Februar 2020 und März 2023 beruht auf einem schlüssigen Konzept. Dabei beschränkt sich die Amtsermittlungspflicht auf eine nachvollziehende Verfahrenskontrolle. Einer ins Einzelne gehenden Überprüfung bestimmter Detailfragen bedarf es nicht, wenn die Kläger weder gegen das ursprüngliche noch gegen das im Berufungsverfahren nachgebesserte Konzept fundierte Einwände erheben.
2. Zur Bestimmung der Angemessenheit der Heizkosten ist im Landkreis Harz auf die Werte des Bundesweiten Heizspiegels zurückzugreifen. Die Ermittlung der zu berücksichtigenden Heizkosten durch den Beklagten entspricht nicht den Vorgaben des BSG. Die ermittelten Werte stellen eine unzulässige Pauschalierung dar. Es fehlen insbesondere die Einbeziehung klimatischer Bedingungen, die Energiepreisentwicklung, die für einfachere Wohnhäuser typischen Energieträger, Gebäudestandard und Stand der Heizungsanlagen.
3. Die Fortschreibung des Konzepts für Zeiträume ab August 2018 nach Maßgabe des Preisindex für die Entwicklung der Mietkosten in Sachsen-Anhalt ist nicht zu beanstanden.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Juni 2021 und der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2018 werden abgeändert. Der Beklagte wird unter teilweiser Zurückweisung seiner Berufung verurteilt, für die Monate März bis Juli 2018 an die Kläger jeweils weitere Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 1,20 €/Monat zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Verurteilung, den Klägern für die Monate März bis August sowie Oktober 2018 bis Februar 2019 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) im Rahmen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu zahlen.
Die 1961 geborene Klägerin und der 1959 geborene Kläger sind miteinander verheiratet. Sie bewohnten im streitgegenständlichen Zeitraum eine etwa 61 qm große Wohnung in der B...straße ..... in Halberstadt. Sie hatten monatlich eine Nettokaltmiete i.H.v. 310 € sowie Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten i.H.v. 29 € sowie Heizkosten i.H.v. 81 € zu zahlen. Die Wohnung, die in einem Gebäude mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 2.646 qm gelegen war, wurde mit einer Gaszentralheizung beheizt, mit der auch das Warmwasser bereitet worden ist.
Einen unter dem 26. Mai 2016 vor dem Einzug in die Wohnung gestellten Antrag auf Abgabe einer Zusicherung für die Übernahme der KDU bei Anmietung der o.g. Wohnung hatte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juni 2016 unter Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten abgelehnt.
Mit Kostensenkungsaufforderung vom 3. August 2017 forderte er die Kläger unter Darstellung seiner Angemessenheitsgrenzen zu Kostensenkungsbemühungen bis spätestens 3. Februar 2018 auf. Nach Ablauf der Frist würden nur noch die angemessenen KdUH übernommen.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2018 bewilligte der Beklagte den Klägern SGB II-Leistungen für die Monate März 2018 bis Februar 2019. Er berücksichtigte entsprechend seiner Ankündigung monatlich eine Bruttokaltmiete i.H.v. 319,20 € sowie Heizkosten i.H.v. 76,20 €. Dagegen legten die Kläger unter dem 19. März 2018 Widerspruch ein. Die Kürzung der KdUH sei nicht rechtmäßig. Die Unterkunftsrichtlinie des Beklagten beruhe auf keinem schlüssigen Konzept. Es seien daher die Werte des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. eines Zuschlags von 10% anzuwenden.
Am 16. Juli 2018 reichten die Kläger eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 beim Beklagten ein. Danach hatte der Vermieter ein Guthaben i.H.v. 94,35 € mit der Bruttowarmmiete im Monat August verrechnet. Der Beklagte teilte den Klägern unter dem 23. Juli 2018 mit, dieses Guthaben nicht anzurechnen, da es aus der Regelleistung gezahlt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das der Unterkunftsrichtlinie zugrundeliegende Konzept sei schlüssig. Im Rahmen einer Datenerhebung im Jahre 2015/2016 seien die angemessenen Werte anhand mathematischer und statistischer Methoden ermittelt worden.
Am 7. August 2018 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben und ihr Ziel der Bewilligung der tatsächlichen KdUH weiterverfolgt. ...