Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. übliche Bedingungen des Arbeitsmarktes. zusätzliche Pausen
Leitsatz (amtlich)
1. Benötigt der Versicherte zusätzliche Arbeitspausen, die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nicht vorgesehen sind, ist zu prüfen, ob Arbeitnehmer unter solchen Bedingungen eingestellt werden. Nach § 4 S 1 ArbZG ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Eine Unterteilung in kleinere Zeitabschnitte ist nach § 4 S 2 ArbZG ebenfalls möglich.
2. Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden gelten im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen. Nach § 4 S 1 ArbZG steht Arbeitnehmern erst bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause zu. Vor dem Hintergrund, dass seit dem Inkrafttreten des § 43 Abs 1 S 2 SGB 6 ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen Voraussetzung für den Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist, trägt das Risiko, noch sechs, aber nicht mehr acht Stunden täglich arbeiten zu können, der Versicherte. Insoweit ist der Versicherte, der mehr als sechs Stunden arbeiten kann, nicht besser zu stellen, als derjenige, der nur noch über ein genau sechsstündiges Leistungsvermögen verfügt.
Orientierungssatz
1. Die Notwendigkeit zusätzlicher Pausen von bis zu dreimal zehn Minuten in einer mehr als sechsstündigen Arbeitsschicht führt nicht dazu, dass ein Rentenantragsteller nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes tätig sein kann. Zusätzliche zehnminütige Ruhepausen sind im Rahmen der sog persönlichen Verteilzeit realisierbar (vgl LSG Stuttgart vom 20.3.2007 - L 11 R 684/06, vom 26.10.2010 - L 11 R 5203/09, LSG München vom 25.5.2009 - L 18 R 535/04 und vom 29.4.2009 - L 18 R 866/06).
2. Zum Leitsatz 1 vgl BSG vom 30.5.1984 - 5a RKn 18/83 = SozR 2200 § 1247 Nr 43 und vom 20.4.1993 - 5 RJ 34/92.
3. Zum Leitsatz 2 vgl BAG vom 30.3.1989 - 6 AZR 326/86 und vom 27.4.2000 - 6 AZR 861/98.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die 1952 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abschluss der Zehnten Schulklasse im Zeitraum vom 1. September 1969 bis zum 31. Juli 1971 erfolgreich eine Lehre zur Bibliotheksfacharbeiterin. Im Anschluss daran war sie bis 1976 als buchhändlerische Mitarbeiterin sowie als Instrukteurin beim Rat des Kreises Q. beschäftigt. Die längste Zeit ihres Erwerbslebens arbeitete die Klägerin im Zeitraum von 1976 bis 1991 als buchhalterische Mitarbeiterin in einem inzwischen nicht mehr existenten Druckereibetrieb. Nachdem die Klägerin von 1991 bis 1993 arbeitslos war, begann sie 1993 als Verkäuferin in einem Küchenstudio zu arbeiten. Eine wiederum bis 1996 andauernde Arbeitslosigkeit beendete die Klägerin durch die Eröffnung eines Küchenplanungsstudios, welches sie selbstständig ohne weitere Mitarbeiter bis 2002 betrieb. Nach Aufgabe dieser selbstständigen Tätigkeit war die Klägerin wiederum kurzzeitig arbeitslos und nahm 2003 bei einer Sicherheitsfirma eine Tätigkeit als Aufsichtskraft in einer Bildergalerie auf, die im November 2004 beendet wurde. Im Rahmen der Gründung einer sogenannten Ich-AG betrieb die Klägerin vom 4. Oktober 2005 bis zum 3. Oktober 2007 als Einzelunternehmen eine Seniorenbetreuung/Hauswirtschaftshilfe. Das Unternehmen stellte die Klägerin nach eigenen Angaben mit dem Auslaufen der Förderung durch die Agentur für Arbeit und aufgrund ihrer häufigen Erkrankungen ein.
Am 8. März 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, seit 2009 aufgrund von Bandscheibenschäden und der Folgen einer Borreliose erwerbsgemindert zu sein.
Die Beklagte holte zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Dem dem Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. vom 20. März 2007 beigefügten Entlassungsbericht der O-Klinik M., Klinik für Neurochirurgie, ist eine am 15. Oktober 2003 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls in Höhe L4/5 durchgeführte Operation zu entnehmen. Im Ergebnis der durchgeführten Operation habe die Klägerin eine deutliche Besserung der bestehenden Lumboischialgien angegeben. Neue Beschwerden oder neurologische Ausfälle seien nicht aufgetreten. Eine wegen unveränderter Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) am 4. April 2004 durchgeführte ambulante Untersuchung in der bereits benannten Klinik für Neurochirurgie ergab keinen Hinweis auf eine neurogene Schädigung.
Die Beklagte veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Fach...