Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderversorgung im Beitrittsgebiet. tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt. Berücksichtigung von Verpflegungsgeld
Leitsatz (amtlich)
Das von der Deutschen Volkspolizei der DDR gezahlte Verpflegungsgeld ist als Arbeitsentgelt nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz festzustellen (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 31.1.2013 - L 22 R 449/11).
Orientierungssatz
1. Der Berücksichtigung des gezahlten Verpflegungsgeldes als Arbeitsentgelt steht nicht § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 2 SGB 4 idF vom 22.12.1983 iVm § 1 S 1 ArEV idF vom 12.12.1989 entgegen (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 31.1.2013 - L 22 R 449/11).
2. Der Grundsatz der Parallelität von Steuer- und Beitragspflicht besteht mithin nicht in der Weise, dass die Steuerfreiheit von Einnahmen zugleich die Beitragsfreiheit dieser Einnahmen und mithin ihre fehlende Rentenrelevanz zur Folge hätte.
Normenkette
AAÜG § 8 Abs. 2, 3 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1; AAÜG Anlage 2 Nr. 2; SGB IV §§ 14, 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2; ArEV § 1 S. 1; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 4 Buchst. c); SGB X § 44 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung von Verpflegungsgeldzahlungen als weitere Entgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat.
Der 1925 geborene Kläger war vom 19. September 1955 bis zum 31. Dezember 1985 bei der Deutschen Volkspolizei der DDR tätig. Mit Bescheid vom 29. November 1995 stellte das beklagte Land für diesen Zeitraum Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Sonderversorgungssystem Nr. 2 der Anlage 2 zum AAÜG) fest. Dieser Bescheid wurde in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06. Mai 1997 und des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 05. September 2001, welche das AAÜG-Änderungsgesetz vom 11. November 1996 und das 2. AAÜG-Änderungsgesetz vom 27. Juli 2001 umsetzten, bestandskräftig.
Am 04. Dezember 2008 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und begehrte die Feststellung von weiteren Entgelten nach dem AAÜG. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2009 die Feststellung von Verpflegungsgeld mit der Begründung ab, es habe sich dabei nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des AAÜG gehandelt. Mit der Zahlung des Verpflegungsgeldes habe der erhöhte Aufwand für eine ansprechende Verpflegung ausgeglichen werden sollen. Diese Zahlung habe somit keinen Lohncharakter gehabt. Dem Urteil des erkennenden Senats vom 17. Juli 2008 (L 1 RA 243/05) sei nicht zu folgen, da es sich nicht um eine höchstrichterliche Entscheidung handele und daher als Einzelfallentscheidung gewertet werde. Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Mai 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, welche inhaltliche Bedeutung dem Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 AAÜG zukomme, bestimme sich nach § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Die an die Angehörigen der Sonderversorgungssysteme gezahlten Zulagen und Zuschläge seien lohnsteuerpflichtige Einkommensbestandteile im Sinne des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit im Sinne des Sozialversicherungsrechts dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2009 mit der Begründung zurück, der erkennende Senat beziehe sich in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 (L 1 RA 243/05) nur auf die Versorgungsordnung des Ministeriums des Innern (MdI) und übersehe dabei völlig die speziellere und damit einschlägige Verpflegungsordnung des MdI. Zu folgen sei vielmehr der Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 29. März 2007 (L 3 RA 78/04), welches ausführe, dass Verpflegungsgeld nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des AAÜG anzusehen sei.
Dagegen hat der Kläger am 24. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Ergänzend und vertiefend hat er vorgetragen, das Verpflegungsgeld habe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis gestanden. Das ergebe sich aus der Besoldungsordnung des MdI. Es sei nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt worden, sondern als dessen Bestandteil. Die umfassende Regelung des § 14 SGB IV bedeute, dass jeder Verdienst, jeder Vorteil, eben jede Einnahme aus dem Beschäftigungsverhältnis zum Arbeitsentgelt gehöre. Arbeitsentgelt seien daher alle Einnahmen, die ohne die Beschäftigung nicht denkbar wären. Eine soziale Zielsetzung des Verpflegungsgeldes sei unschädlich für die Charakterisierung als Arbeitsentgelt. Es könne auch dahinstehen, ob der Zahlung des Verpflegungsgeldes eine Gegenleistung gegenüber gestanden habe. Denn die...