Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung im vereinfachten Verfahren
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 2 S. 1, § 655
Verfahrensgang
AG Braunschweig (Aktenzeichen 247 FH 112/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin v. 30.8.2001 wird der Beschluss des AG – FamG – Braunschweig vom 31.5.2001 i.V.m. dessen Beschluss vom 2.8.2001 abgeändert:
Der Antragstellerin wird im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe Rechtsanwalt Lins, Braunschweig, zur Vertretung im erstinstanzlichen Unterhaltsabänderungsverfahren beigeordnet.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Durch Urteil des AG – FamG – Braunschweig vom 16.3.2000 ist der Antragsgegner unter anderem verurteilt worden, an die Antragstellerin ab 1.7.2000 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 107 % des jeweiligen Regelbetrags der 3. Altersstufe nach § 1 der Regelbetrags-Verordnung abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 26.2.2001 hat die Antragstellerin beantragt, den Unterhaltstitel im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO dahin abzuändern, dass für die Zeit ab 1.2.2000 eine Kindergeldanrechnung entfalle. Zugleich hat sie für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts beantragt. Das AG hat den Unterhaltstitel durch Beschluss vom 31.5.2001 antragsgemäß abgeändert und der Antragstellerin ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts aber unterlassen und durch weiteren Beschluss vom 2.8.2001 mangels Erforderlichkeit zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 30.8.2001 ist zulässig und begründet.
Gemäß § 121 Abs. 2 S. 1 ZPO wird der Partei – wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist – auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
Da der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren nicht anwaltlich vertreten war, sind die maßgebenden Kriterien für die Erforderlichkeit der Anwaltsvertretung auf Seiten der Antragstellerin der Umfang, die Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie die Fähigkeit der Hilfsbedürftigen, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken.
Danach war nach Auffassung des Senats auch im vorliegenden vereinfachten Unterhaltsabänderungsverfahren die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich.
Dass die Antragstellerin bzw. deren vertretungsberechtigte Mutter die Hilfe des Jugendamtes (§§ 2 Abs. 2 Nr. 9; 52a SGB VIII) oder der Rechtsantragsstelle des AG (§ 657 ZPO) in Anspruch nehmen konnten, reicht nicht aus, die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung zu verneinen. Vielmehr rechtfertigen die auch im vereinfachten Verfahren zu klärenden Problemkreise die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Zu klären ist etwa, ob die Abänderung im eigenen Namen oder in gesetzlicher Vertretung für das Kind verlangt und ab wann bzw. in welcher Höhe der erhöhte Unterhaltszahlbetrag geltend gemacht werden kann. Insoweit geht es auch um Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit (§§ 655 Abs. 6, 646 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, 1613 BGB), deren Voraussetzungen nicht leicht zu beurteilen sind. Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit Einwendungen des Antragsgegners rechnen muss (§ 655 Abs. 3 ZPO), auf die er sachgerecht zu reagieren hat. Schließlich ist durch die besondere Verbindung des vereinfachten Abänderungsverfahrens nach § 655 ZPO und der nach § 656 ZPO möglichen Änderungskorrekturklage von vornherein auch die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragsgegners ins Blickfeld zu nehmen, da die Kosten des vereinfachten Verfahrens als Kosten des Rechtsstreits über die Abänderungskorrekturklage zu behandeln sind (§ 656 Abs. 3 ZPO) und deshalb über die Kosten beider Verfahren entsprechend dem Enderfolg einheitlich zu befinden ist. Mit der Abänderungskorrekturklage kann der Antragsgegner aber auch Einwendungen erheben, die – wie z.B. die mangelnde Leistungsfähigkeit – im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO nicht geltend gemacht werden können, und zwar auch für die Zeit vor Erhebung der Änderungskorrekturklage, so dass zur Prüfung des Kostenrisikos des vereinfachten Verfahrens ebenso der Ausgang eines möglichen Änderungskorrekturverfahrens nach § 656 ZPO abzuschätzen ist und damit auch die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners zu prüfen sind. Zur Beantwortung dieser Fragen benötigte die Antragstellerin anwaltschaftlichen Rat.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des GKG, die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Spreckelmeyer, Eisele, Kliche
Ausgefertigt
Braunschweig, 22.11.2001
(Grittner), Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des OLG
Fundstellen
Haufe-Index 1103874 |
MDR 2002, 539 |
ZfJ 2002, 360 |
OLGR-CBO 2002, 32 |