Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienunterhalt bei Pflegebedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der auf Naturalunterhalt gerichtete wechselseitige Anspruch auf Familienunterhalt gemäß §§ 1360, 1360a BGB wandelt sich im Fall einer Pflegebedürftigkeit eines Ehegatten, der stationär in einer Pflegeeinrichtung betreut wird, in einen Anspruch auf Geldleistung.
Dieser Anspruch ist nicht durch den auf die beiderseitigen (Renten-)Einkünfte bezogenen Halbteilungsgrundsatz, sondern durch den - ggf. nach den Umständen des Einzelfalls zu erhöhenden - angemessenen Selbstbehalt (hier 1.200 EUR für das Jahr 2015) begrenzt.
Leistungen, die der unterhaltspflichtige Ehegatte im Rahmen seiner regelmäßigen Besuche für den persönlichen Bedarf des anderen Ehegatten erbringt, können in Höhe eines nach § 287 ZPO zu schätzenden Betrages als Naturalunterhalt bedarfsdeckend angerechnet werden.
Verfahrensgang
AG Wennigsen (Deister) (Beschluss vom 05.11.2014; Aktenzeichen 12 F 1145/14) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels sowie unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Wennigsen vom 5.11.2014 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Unterhalt für die Zeit von September 2013 bis einschließlich August 2015 von insgesamt 3.813,80 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.543,60 EUR ab dem 26.5.2014 sowie ab September 2015 von monatlich 226,63 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung ab
November 2015 sofort wirksam.
V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.645,75 EUR festgesetzt.
VI. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller macht Ansprüche auf Familienunterhalt gegenüber seiner Ehefrau, der Antragsgegnerin, geltend.
Der am ... Juni 1941 geborene Antragsteller und die am ... Februar 1940 geborene Antragsgegnerin sind verheiratet. Seit dem 8.11.2012 befindet sich der Antragsteller im Pflegeheim M. Hier hielt er sich bis einschließlich September 2014 auf. Die monatlichen Kosten für seine Pflege beliefen sich auf ca. 2.990 EUR. Seit Oktober 2014 lebt der Antragsteller im K. Domizil B., wodurch sich die - aus dem Pflegesatz II, der Unterkunft, Verpflegung sowie "Investitionskosten-SA" bestehenden - Pflegekosten auf 2.870 EUR monatlich reduziert haben.
Der Antragsteller erhält von der gesetzlichen Rentenversicherung ausweislich der Rentenanpassungsmitteilung für Juli 2014 eine Nettorente von 958,93 EUR, die sich zuvor auf 943,17 EUR belief und zum Januar 2015 auf 955,71 EUR reduziert worden ist. Darüber hinaus erhält der Antragsteller Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 1.279 EUR bis einschließlich Dezember 2014. Ab Januar 2015 wurden die Leistungen der Pflegeversicherung auf 1.330 EUR erhöht.
Die Antragsgegnerin bezieht eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, die nach der Rentenanpassungsmitteilung zum Juli 2013 1.119,95 EUR betrug, ab Juli 2014 auf 1.138,86 EUR erhöht wurde, von Januar bis Juni 2015 geringfügig auf 1.134,84 EUR sank und sich ab Juli 2015 auf 1.158,64 EUR beläuft. Daneben erhält die Antragsgegnerin eine Betriebsrente der A. D. AG. Nach der vorgelegten Jahresaufstellung für das Jahr 2012 ergab sich ein Gesamtnettobetrag von 1.655,44 EUR.
Die Beteiligten sind hälftige Miteigentümer der von der Antragsgegnerin bewohnten Eigentumswohnung in Barsinghausen. Die 2-Zimmer-Wohnung hat eine Größe von 62,5 qm. Die Antragsgegnerin erbringt monatliche Zahlungen auf die Sterbegeldversicherung des Antragstellers bei der E.-Versicherung von 29,65 EUR sowie auf eine für sie bestehende Versicherung von 26,15 EUR. Für medizinischen Mehrbedarf macht sie einen Jahresbetrag von 170 EUR geltend.
Der Antragsteller hat mit Schreiben seiner Betreuerin vom 3.4.2013 dem Betreuer der Antragsgegnerin die Kontoverbindung für Unterhaltsleistungen mitgeteilt und im weiteren Schreiben vom 19.8.2013 durch seine Verfahrensbevollmächtigte Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangt. Die Antragsgegnerin hat unter Verweis auf den ihr zu belassenden Selbstbehalt ab April 2013 monatliche Unterhaltszahlungen von 133,58 EUR erbracht, die sie ab Januar 2015 aufgrund des angehobenen Selbstbehalts auf 96,95 EUR reduziert hatte.
Im Hinblick auf die ungedeckten Heimkosten hat der Antragsteller einen Antrag auf Übernahme der Kosten durch Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 61 SGB XII gestellt. Bei der Berechnung des für die Hilfe zur Pflege einzusetzenden Einkommens ist die Stadt B. u.a. für die Zeit ab Januar 2015 von einem anrechenbaren Gesamteinkommen i.S.v. § 82 SGB XII in Höhe von 2.208,69 EUR (Ziffer 4 der Berechnung) ausgegangen. Für die Bestimmung des von der Antragsgegnerin einzusetzenden Einkommens wurde der sog. Höc...