Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung
Leitsatz (amtlich)
1. Betreibt eine Stadt in unselbständiger Form eine Skipiste und ist sie zugleich Sachkostenträgerin einer Schule, ist sie einheitlicher Unternehmer i.S.d. § 104 SGB VII.
2. Die Haftungsprivilegierung gem. § 104 SGB VII wird nur bei einem Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII oder Vorsatz durchbrochen; für eine Durchbrechung bei „Teilnahme am allgemeinen Verkehr” gem. § 636 RVO ist im übrigen kein Raum.
3. Die Haftung einer Stadt als Skipistenbetreiberin für im Sportunterricht einer Schule, deren Sachkostenträger die Stadt ist, erlittene Personenschäden eines Schülers ist nach § 104 SGB VII ausgeschlossen, sofern nicht ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII vorliegt oder die Stadt wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles haftet.
4. Der Betreiber einer Wintersportpiste haftet für die Pistensicherheit; er hat eine in unmittelbarer Nähe zur präparierten Piste aufgestellte, den Pistenbenutzer gefährdende Schneekanone zu sichern.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 21.04.1998; Aktenzeichen 5 O 5036/97) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 21.04.1998, Az.: 5 O 5036/97, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und der Anschlussberufung des Klägers abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den weiteren und zukünftigen materiellen Schaden aus dem Unfall vom 22.01.1997 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Träger der öffentlichen Fürsorge übergegangen sind und es sich nicht um einen Personenschaden i. S. d. § 104 Abs. 1 SGB VII handelt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 84 % und die Beklagte zu 16 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.200,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beide Parteien dürfen die Sicherheitsleistung durch schriftliche, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Kreditinstitutes erbringen.
4. Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr und die Beklagte mit weniger als 60.000,00 DM.
5. Die Revision der Beklagten wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 310.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Skiunfall.
Der am 20.06.1979 geborene Kläger besuchte im Januar 1997 die 11. Klasse des Bergstadtgymnasiums „Glück auf” A.; Trägerin dieser Schule ist die Beklagte. Im Rahmen des Sportunterrichts im Fach „alpiner Skilauf”, der auf einer von der Beklagten betriebenen Skipiste stattfand, verlor der Kläger am 22.01.1997 – während einer individuellen Leistungskontrolle durch den Lehrer – beim Versuch des Anhaltens im Zielbereich die Kontrolle über die Skier und prallte rückwärts rutschend gegen den Mast eines am Pistenrand befindlichen Beschneiungssystems „Schneekanone”). Dabei traf er auf einen metallenen, im unteren Bereich des Mastes angebrachten Ring. Der Mast war weder gepolstert, noch durch andere Maßnahmen gesichert. Er befand sich in unmittelbarer Nähe zu ebenfalls am Pistenrand stehenden Bäumen. Sein exakter Standort ergibt sich aus den bei der Akte befindlichen Lichtbildern (Bl. 40 – 44; 159 – 164 dA). Die Skipiste war bis etwa 1 m vor dem Waldrand präpariert.
Bei dem Aufprall auf den Metallring zog sich der Kläger eine C7-Luxationsfraktur mit doppelter Wirbelbogenfraktur zu, die zu einem motorisch kompletten Querschnittssyndrom unterhalb des Brustbereiches führte. Hinsichtlich des weiteren Verletzungsbildes wird auf die gutachterliche Stellungnahme des Universitätsklinikums „Carl Gustav Carus” der Technischen Universität Dresden vom 20.08.1997 (Bl. 15-20 dA) und den Abschlussbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau vom 14.08.1997 (Bl. 22-25 dA) bezug genommen.
Der Sächsische Gemeindeunfallversicherungsverband stellte das Vorliegen eines Schulunfalles i. S. d. Unfallversicherungsrechts durch bestandskräftigen Bescheid fest.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgetragen:
Die Schneekanone habe in den Pistenbereich hineingeragt und insbesondere nicht in einer Reihe mit den am Pistenrand befindlichen Bäumen gestanden. Wegen der unterlassen Polsterung des Mastes – vor allem des Metallringes – habe die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt. In der Funktion des für die Skipiste verkehrssicherungspflichtigen Betreibers sei die Beklagte, anders als in ihrer Funktion als Schulträger, nicht durch unfallversicherungsrechtliche Bestimmungen (§§ 104 ff. SGB VII) privilegiert. Ein Haftu...